Die Ehe-Gattinnen-Maschine

Anne Lepper: Flitterwochen im Fertighaus

Theater:Schauspiel Essen, Premiere:23.05.2025 (UA)Regie:Felix Krakau

Die Ehe wird in Anne Leppers Stück „Flitterwochen im Fertighaus“ aus einem Chor von drei Personen verkörpert, wird symbolisch und politisch. Regisseur Felix Krakau inszeniert am Schauspiel Essen mit Tempowechsel und einem drehbaren Fertighaus, das Bild und Text verwebt. Mit mehr Hang zur Ästhetik und weniger emotionaler Nähe zu den Figuren fällt das Durchbrechen der Strukturen jedoch schwer.

Schon in den Flitterwochen ist der Traum der Ehe zwischen dem biederspießigen Stimmkörper Kirk und seinem Ehe-Chor geplatzt. Der Chor trennt sich von Kirk, als dieser sich als gewalttätig entpuppt. In wattierten Toy Story-inspirierten Kostümen aus neoprenartigem Stoff (Jenny Theisen) demonstrieren Anne Leppers Figuren die häusliche Gewalt und das Machtgefälle zwischen dem Paar in grotesker Überzeichnung. Vor Wut kochend verpflichtet Kirk (Philipp Noack) den Incel-ähnlichen Kumpel Dirk (Jan Pröhl) seinen Ehe-Chor wieder auf Linie zu bringen, denn: „Jede Ehe verdient es, gerettet zu werden“. An die sprachliche Darstellung psychischer- und sexueller Gewalt geht Lepper satirisch heran. Er, der Chor, soll gefälligst unter Kirk seine sexuelle Erfüllung finden – schließlich geht es um die Reproduktion zukünftiger Arbeitskräfte! Lebenslange Kochflatrate und finanzielle Ausbeutung inklusive, versteht sich.

Minimalistisches Fertighaus

Das Fertighaus aus Metallstangen steht auf der Bühne des Grillo-Theaters. Von drei Seiten kann man beobachten, wie sich Kirk und Ehe Chor in der minimalistischen Wohnlandschaft (Ansgar Prüwer) gegenüberstehen. Der Chor verweigert die ihm auferlegten „ehelichen Pflichten“ und fordert stattdessen mehr Theorie für die Lebenspraxis. Das Ziel: Endlich selbstbestimmt und frei leben.

Anstatt einer Zweierbeziehung entscheidet sich Anne Lepper in ihrem Stück dafür, die gesellschaftliche Dimension der Hetero-Ehe durch einen Chor aus drei Personen darzustellen, der als Ehegattin fungiert. Die Figuren bleiben bewusst symbolisch, fremd und kühl. Das Private ist hier längst politisiert, die Charaktere durch ihre Verhältnisse gesteuert und der Chor durch die Unterdrückungserfahrungen fragmentiert, wenn auch verbunden. Die Mauern dieser Verhältnisse zementiert Anne Lepper oft in ruhelos rhythmisierenden Monologen und zeigt ihren postdramatischen Zugriff auf Sprache, indem Sie mit ihr die künstlerische Realität formt und deformiert. Dies geschieht häufig mithilfe von Zitaten aus Musik, Film und Literatur wie von Ernst Lubitsch, Marx, Hitchcock, Morrissey oder Cassavetes.

Flitterwochen im Fertighaus Schauspiel Essen

Jan Pröhl (Dirk), Sabine Osthoff (Chorführerin), Lene Dax und Silvia Weiskopf (Ehe-Chor). Foto: Martin Kaufhold

Gewaltausbrüche und Patriarchatsverfechter

Regisseur Felix Krakau setzt während der zerstörerischen Gewaltausbrüche der Männer auf Slow-motion Elemente und arbeitet gezielt mit dem drehbaren und wandlosen Fertighaus, sodass eine organische Verflechtung von Text und Bild entsteht. Jedoch spiegelt sich die visuelle Perspektivenvielfalt und Finesse der Inszenierung inhaltlich nicht immer wieder. So verbleiben die Figuren Kirk und Dirk in der einseitigen Darstellung als stumpfe, unreflektierte Verteidiger des Patriarchats. Auf einem Bett von treibenden Elektro-Beats (Timo Hein) doziert die Chorführerin (Sabine Osthoff) in atemberaubender Geschwindigkeit über Kapitalismus, Geschlechterkampf und Faschismus – Themen, die zwar miteinander verbunden sind, in ihrem Umfang aber den Rahmen sprengen und in der Luft stehen bleiben. Der von Kirk und Dirk schließlich durchgeführte Femizid am Ehe-Chor wird juristisch nicht bestraft und von Lepper sogar mit einer Frankenstein-Anspielung weitergesponnen. Das Ergebnis: Eine Ehe-Gattinnen-Maschine, deren Entwicklung die emotionale Kälte des Abends durch Groteske auf die Spitze treibt. („Wie viele Vaginen hast du verbaut?“)

Indem emotionale Verbindungen zu den Figuren verweigert werden, sorgt die daraus hervorgehende intellektuell distanzierte Ästhetik dafür, dass die Macht- und Fatalitätsstrukturen teilweise eher reproduziert als durchbrochen werden– Strukturen, aus denen sich die Figuren eigentlich emanzipieren sollen.