Foto: Ensemblebild von „NICHT-Uncool / Der Tod“ am Theater Thikwa © Holger Rudolph
Text:Sophie-Margarete Schuster, am 19. Juni 2025
Die Doppel-Inszenierung „NICHT-Uncool / Der Tod“ am Theater Thikwa in Berlin jongliert mit Fragen um Leben und Tod. Mit einem Rap-Battle und gleich mehreren Sensemännern zeichnen die Ensemble nicht nur Lebens-Sehnsucht, sondern nehmen dem Publikum auch die Angst vor dem Jenseits.
Was ist eigentlich so richtig cool, also NICHT-uncool? Und was ziemlich uncool? Mit diesen Fragen im Kopf jonglieren Felix Brünig, Mc Josh, Lia Massetti und Stephan Sauerbier in „Nicht-Uncool“ (Regie: Ismail Arslantürk, Atalay Dogan) ein paar Begriffe auf der Bühne des Theater Thikwa hin und her: scharfes Essen, Horrorfilme, Friedrich Merz, Fahrradhelme, Gefühle, eine Darmspiegelung … Um der ganzen Sache auf den Grund zu gehen, haben Ismail Arslantürk und Atalay Dogan ein ausgesprochen cooles Rap-Battle inszeniert.
Als das Publikum den Saal betritt, steht MC Hot-Shark-Stephen (Stephan Sauerbier) schon bereit, um alle in Empfang zu nehmen; mit einem diabolischen Lachen und einer ordentlichen Portion Theaternebel stimmt er uns auf das bevorstehende Battle ein. Es folgt eine Vorstellungsrunde der Kontrahent:innen. Zum einen wäre da Poseidon (Felix Brünig) – seine Beatboxing-Skills lassen den Bühnenboden erzittern –; dann gibt es noch Dancing Goddess (Lia Massetti) – ihre Dance-Moves können jede:n in den Bann ziehen. Und last but not least: MC Hot-Shark-Stephen und Master of Disaster Josh, die mit ihren schnellen Rap-Texten und lässigen Beats definitiv NICHT-uncool sind.
Leben als gemeinsame Praxis
Mehr noch: Den Texten gelingt es, in einem Nebeneinander von kleinen und großen, vorsichtigen und entschlossenen Gedanken das Porträt eines zutiefst menschlichen Bedürfnis zu zeichnen: Die Sehnsucht nach einem Leben, in dem wir uns gegenseitig Chancen geben, anstatt uns kleinzuhalten; die Sehnsucht nach einer Struktur, in der alle gesehen werden. „NICHT-uncool“ eröffnet einen Raum, in dem spürbar wird, wie schön das Leben sein kann, wenn eine solche Vision nicht mehr nur eine Sehnsucht, sondern eine gemeinsame Praxis ist.
Während das Publikum in einer kurzen Umbaupause die Gelegenheit bekommt, über ein solches Leben nachzudenken, betritt plötzlich der Tod das Foyer. Gehüllt in ein langes schwarzes Tuch verkündet uns der Sensenmann, dass es nun Zeit sei, ihm zu folgen. Das Publikum gehorcht und begibt sich zurück in den Saal. Dort wartet ein Friedhof. Und so wie es sich gehört: ein paar Geister. Doch wie sich herausstellt, haben diese sich den Tod alle unterschiedlich vorgestellt. Lieber mit der Seele durch die Gegend fliegen? Oder doch mit den Würmern in der Erde verrotten?
Wilde Jenseits-Suche
In „Der Tod“ in der Regie von Max Edgar Freitag (ein Porträt ist erschienen in Heft 2/2025) und Tobias Brunwinkel gibt es bei dieser Entscheidung kein Richtig und Falsch. Und so kommt es, dass plötzlich nicht mehr nur ein Sensenmann auf der Bühne steht, sondern gleich mehrere – und die sagen alle was anderes. Als eine der Toten (Corinna Heidepriem) gefragt wird, wo sie denn hinmöchte, antwortet diese zögerlich: „ins Sonnenlicht“. Nun ja, da gibt es aus der Sicht der Sensenmänner verschiedene Möglichkeiten: Wenn’s um die Wärme geht, wäre da natürlich die Hölle im Angebot; wenn es allerdings eher um das Licht geht, gibt es auch den Himmel. Doch um beides zusammenzuhaben – Wärme und Licht –, müsse sie sich eher für die Sonne entscheiden.
Inmitten dieser wilden Jenseits-Suche interveniert die Inszenierung mit einer zentralen Strategie: gemeinsames Lachen. Denn wir können niemals endgültig wissen, was auf den Tod folgt. Aber wir können versuchen, uns gemeinsam die Angst zu nehmen. Im Dienst dieser Absicht schnappt sich einer der Sensenmänner sogar eine Zuschauerin und motiviert sie zu einem Probeliegen in einer der Friedhofsgräber. Doch kaum liegt sie annähernd bequem, baut sich um sie herum eine Adaption von Michael Jacksons Thriller-Choreografie auf. Es wird gelacht und getanzt. Und plötzlich macht es Spaß: das Probeliegen für den Tod.