Vorne: Martin Aselmann

Neues von der Generation Smartphone

Gesine Danckwart: Wunderland

Theater:Nationaltheater Mannheim, Premiere:25.01.2013 (UA)Regie:Cilli Drexel

„Äh, ja, ich soll, muss anfangen.“ Weil aller Anfang schwer ist, fängt Gesine Danckwarts neues Stück „Wunderland“ im Studio des Nationaltheaters Mannheim mit diesem Statement der Unbeholfenheit an. Anfänge gibt es viele in diesem Sammelsurium flotter Bonmots und komischer Alltagsbeobachtungen. Vom Urknall ist die Rede, auch vom Aufeinandertreffen von Spermium und Eizelle, von der entfremdeten Arbeitswelt oder der zwanghaften Suche nach Lust und Liebe. Ein Erkenntnishäppchen folgt auf die nächste Frustrationsfloskel, mit der sich die Generation Smartphone die Zeit vertreibt. Ein Ende, so scheint es, ist nicht in Sicht.

Die Sätze des hier unter der Regie von Cilli Drexel versammelten Quartetts (Katharina Hauter, Michaela Klamminger, Martin Aselmann und Klaus Rodewald) brechen oft brüsk ab. Häufig fehlen die Verben, wohl um anzudeuten, dass diese Clique ihre Halbheiten nur in Halbsätzen verlautbaren kann. Gesine Danckwarts Gags ist es zu verdanken, dass man dem Abend dennoch mit einigem Amüsement folgt. Das Publikum lacht über die kritisierte „Wellness-Scheiße“, assoziiert bei den erwähnten Messe-Besuchen mit anschließender Bordell-Belustigung aktuelle Skandale aus der Versicherungsbranche und fühlt sich mit der Schwaben-Schickeria aus Berlin-Prenzelberg konfrontiert, wenn über Soja-Latte, Bournout-Phänomene oder Mietwucher geplaudert wird. Sie wollen Gewinner sein, und sind doch nur Handlungsreisende von Flachbildschirm-Produzenten aus dem „vorderen Mittelfeld der mittleren Billiganbieter“ oder Hochhausbewohner aus den unteren Etagen. Probleme versucht man, mit Problemlösungs-Apps zu knacken – zum Beispiel, wenn es um überzählige Kalorien geht. Bloß für die alternde Gesellschaft gibt es keine App. Sie verdämmert vor der Glotze und folgt den trivialen Problemen von Serien-Förstern, -Ärzten oder sanften Kriminalen. Trotzdem müssen die nötigen Endorphine freigesetzt werden, deshalb phantasieren die vier Stadtneurotiker auf den beiden schlichten Holzpodesten (Bühnenbild: Timo von Kriegstein) vom schnellen, beziehungslosen Sex oder sie rappen sich mit „yippieyeah, jawoll und Remmidemmi“ auf den Lippen in die Ekstase.

Alles versucht Gesine Danckwart in ihren Text hineinzupacken, aber auch wirklich alles. Die Autorin, die dem Nationaltheater-Publikum schon spannende Stadterkundungen per Straßenbahn oder per pedes beschert hat, arbeitet bei „Wunderland“ rein assoziativ. Ihr Stück ist im Auftrag der „Frankfurter Positionen“ entstanden und wirkt wie ein postdramatischer Bastelbogen aus lauter Floskeln, die man sich ausschneiden kann, um sie anschließend zu postexpressionistischen Gedichtchen zu montieren. Mehr Kunsthandwerk also als Kunst. „Applaus“ heißt das letzte Wort, und die Premierenbesucher lassen sich nicht lumpen. Eine längere Nachwirkung dürfte diesem Zeitgeist-Palaver aber kaum beschieden sein.