Ingolf Müller-Beck als har-liebender Bischof vor Theaterfamiliendurcheinander mit sterbendem Prinzipal und Weihnachtsbaum.

Leipziger Weihnachtsspiel

Ingmar Bergman: Fanny und Alexander

Theater:Central Theater, Premiere:22.09.2011Regie:Sebastian Hartmann

Der keineswegs alte Theaterdirektor stirbt unerwartet. Und hinterlässt nicht nur eine Compagnie im kleinen Theater einer Provinzstadt, sondern auch seine Frau und die beiden Kinder Fanny und Alexander. Ingmar Bergmanns autobiographisch geprägter Film bildete die Grundlage für den Saisonstart am Schauspiel Leipzig. Erst vor wenigen Tagen hatte Intendant Sebastian Hartmann angekündigt, seinen Vertrag nicht über die Spielzeit 2012/2013 hinaus verlängern zu wollen. Die Inszenierung wird dann – trotz Bergmans Steilvorlage bei Premierentermin zum Papstbesuch – eher zu einer Selbstbespiegelung der Leipziger Theaterfamilie als zum Kirchenkampfstück.

Hartmann und sein Ensemble spielen in ihrer Fassung von „Fanny und Alexander“ mit dem Theater als „Ort der Liebe“, ebenso wie mit diversen Familienformen: die der Ekdahls nach Oskars Tod, die des kleinen Theaters, dessen Leitung vorerst die Witwe Emilie übernimmt und die kirchliche Familie des Bischofs, der bald Emilie heiraten wird und deren Kinder, vor allen Dingen den phantasiebegabten Alexander durch seine harte Hand quälen wird. Allerdings ist Ingolf Müller-Beck als Leipziger Bischof eher ein schüchterner Mann, der bei der Weihnachtsfeier mit den Theaterleuten einfach zu viel redet. Auf der vom Regisseur entworfenen Bühne steht links ein großer Familienfeiertisch und rechts ein Ehebett; Orte und Spielebenen gehen ineinander über. Mit schönen Verschiebungen greifen die Szenen ineinander – meist sind alle Akteure auf der Bühne präsent, nachdem der Erzählrahmen von Manolo Bertling und Linda Pöppel, die auch die älteren Alter Egos der beiden Kinder sind, aufgeschlagen wurde. So geht die Sterbeszene Oskars (Christian Kuchenbuch, der auch im weiteren Ablauf präsent bleiben wird) in die Trauerfeier um ihn über.
Die Kinder wurden zuvor von Lydia Makrides und Yusuf El Baz beim Tanz um den Weihnachtsfeiertisch in die Spielwelt integriert. Trotz großer Präsenz des Jungen und der Unterstützung der beiden erwachsenen Kinder-Schauspieler ist das Drama der Kinder nur ein Aspekt der Inszenierung. Peter René Lüdickes Onkel Carl Gustav, der Theaterkantinenbetreiber, wird zur fast zur komischen Hauptfigur . Über weite Strecken des Stücks bekommt der seinen Finger nicht mehr aus einem Stuhlloch heraus und ist damit so rührend wie lachhaft. Dieser kinderliebe, in Finanz- wie Ehedingen unseriöse Kunstbewunderer wird selbst zum Akteur – und zum Kind, dessen endlich befreiter Finger in der allerletzten Szene von seiner Mama verarztet wird. Zuvor fand noch einmal ein Weihnachtsspiel im Familientheater statt. Denn der Familienfreund und einzige Jude der Stadt, Isak Jakobi (Wolfgang Maria Bauer), hatte die Kinder dem Bischof wieder entrissen.

Die Inszenierung deutet gegen Ende mit dem Außenseiter Isak und seinem Heim – vor einem plötzlich enthüllten riesenhaften Neo-Rauch-Bild („Die Lage“) mit fünf Schmieden – auf eine alternative Welt und Kunst abseits von Kirche und Theater; doch wirken gerade Bauers überdeutliche Spielweise und das massive Bühnenbild etwas unpassend im sonst so transparenten Spiel. Insgesamt mäandert die angenehm leichtfüßige Inszenierung jedoch knapp drei Stunden lang melancholisch um Theater, Liebe herum, bietet schöne Szenen, tippt ironisch Leipziger Theaterbefindlichkeiten an, wirkt insgesamt aber auch etwas ziellos.