Foto: Michael Maertens (Sigmund Schwarz-Gelber, Politiker), Dörte Lyssewski (Elfriede Ritter-Schwarz-Gelber) © Tommy Hetzel / BURG
Text:Martina Jacobi, am 28. Juli 2025
Die Salzburger Festspiele zeigen als Koproduktion mit dem Wiener Burgtheater Karl Kraus‘ „Die letzten Tage der Menschheit“ auf der Perner-Insel in Hallein. Dušan David Pařízek inszeniert die satirische Tragödie als historischen Lehrstoff. (Besuch der 2. Aufführung am 27. Juli 2025)
Mit so viel mittlerweile live zu beobachtendem Krieg auf Social Media fühlt es sich sonderbar an, in einer Inszenierung über den Schrecken des Ersten Weltkriegs zu sitzen, die diese Gewalt auf einer historisch-faktischen und assoziativen Ebene darstellt. Der österreichische Publizist Karl Kraus selbst nannte sein Stück nicht inszenierbar, dachte es als „Marstheater“. Denn wie kann Kriegsgrausamkeit in Worte gefasst und auf der Bühne gezeigt werden? Kraus beschreibt diese Grenzen der Menschlichkeit in seinem Werk mit zeitdokumentarischen Aufzeichnungen aus den Jahren 1915 bis 1922 als eine satirische Tragödie mit über 200 Szenen.
Kraus als störende Stimme
Pařízek orientiert sich in seiner Inszenierung an der von Kraus so skizzierten kriegstreiberischen Perspektive aus Politik, Presse und Gesellschaft mit überzeichneten Figuren: Michael Maertens reiht als Politiker Siegmund Schwarz-Gelber leere Phrasen aneinander; seine Frau Elfriede (Dörte Lyssewski) treibt pflichtbewusst-leidenschaftlich das politische Spiel voran; Marie-Luise Stockinger verkörpert eine rasende Sensationsjournalistin; und Felix Rech spielt den trocken-abgebrühten Feldkurat Anton Allmer.

Michael Maertens (Sigmund Schwarz-Gelber, Politiker), Dörte Lyssewski (Elfriede Ritter-Schwarz-Gelber. Foto: Tommy Hetzel / BURG
Zwischen diesen Kriegsfanatiker:innen zeigt Pařízek Kraus selbst als Nörgler-Figur. Diese spielt Elisa Plüss als störende Stimme vom Bühnenrand, die sich immer wieder ins Spiel, die fiebrige Kriegseuphorie und in selbstzentrierte oder nationale Helden-Romantisierung einmischt. Plüss spricht ein Plädoyer für die Fantasie, durch die man sich den ganzen Schrecken vorher hätte vorstellen können und ihn schon gar nicht erst begonnen hätte.
Eine Atempause von der überzogenen Kriegshetze kommt mit Branko Samarovski in einer nachdenklichen Szene: Als eigentlicher Patriot Vinzenz Chramosta, der lange keine Nachricht von seinem Sohn an der Front erhält, will er nicht mehr zum Krieg anfeuern: „Das alte Jahrhundert ist im Sturm geschieden. Das neue beginnt mit Mord.“
Kanonen-Klangkulisse
Das alles spielt vor einem riesigen Bunker-Kubus. Zwei seiner Wände sind geschlossen, zwei andere Seiten geöffnet – ein Perspektivwechsel von der Front nach außen hinein ins Kriegsverhandeln im Innern des Landes; eine Fassadenvision vor der Realität. Durch Scheinwerfer, die aus dem Ensemble selbst auf die jeweils in den Szenen agierenden Schauspieler:innen gerichtet werden, entsteht ein groteskes Schattenspiel auf den Wänden.
Peter Fasching, der den einfachen Feldwebel Peter Sedlatschek spielt, verkörpert einen unkritischen, Befehle ausführenden Soldaten. Gleichzeitig sorgt er mit verschiedenen Instrumenten, Elektronik und großem Donnerblech für einen punktgenauen Live-Kriegs-Soundtrack – bis die absurde Kanonen-Klangkulisse zu einem rhythmisch-zuckenden Tanz ausartet.
Pařízek verstärkt Kraus‘ satirisches Spiel und zum Ende hin wenden sich die Schauspieler:innen mit Kriegsszenenbeschreibungen und Phrasen in einer dem Publizisten nachempfundenen Sprache direkt ans Publikum und enden jeweils mit: „Was empfinden Sie jetzt?“ Doch – wie schon zuvor – zeigen sich auch hier Längen in der Inszenierung, bei der die Darstellung nicht den Text erreicht. Vielleicht, weil dieses tonnenschwere Grauen vor und hinter der Front zu weit reicht und so schwer fassbar ist. Ein „Willkommen im Hamsterrad“, das auch mit einem tollen Ensemble nicht so richtig nachhallt.