Zwar kann sich der 1961 in Cottbus geborene Oliver Bukowski ein bisschen Ost-Häme nicht verkneifen: Er verballhornt Titel von MDR-Sendungen, die über einen großen Bildschirm flimmern, verhohnepipelt die Schlagerbegeisterung in den neuen Ländern (Andrea Berg wird gezeigt) und weil Helene Fischer von dort stammt, wird „Du gehörst nach Sibirien“ geschimpft. Das ist so entbehrlich wie „Alle aufstehen zum Saubermachen“ und verordneter „Seitenwechsel“ für die Zuschauer. Doch ansonsten sieht Bukowski genau und oft analytisch hin. Am Frühstückstisch wird ein Pegida-Aufmarsch „wie’n Kirchgang“ beschrieben, entspinnt sich zwischen Mutter und Tochter der verbale Schlagabtausch „Im Osten war nicht alles schlecht“ – „Den Spruch haben jetzt die Faschos“ – „Was darf man denn überhaupt noch sagen“. Da sind die leider allzubekannten rechten Parolen längst im normalen Sprachgebrauch gelandet und Lisas „Die sind nicht blöde, das ist ja das Problem“ zeigt die verbale Gegenseite. Fast zu viel packt Bukowski in sein 80 Minuten kurzes Drama hinein, aber zum Glück verfallen weder Regisseur Tom Quaas noch die ausgezeichneten Darsteller in die Klischees, die das Stück auch ausstellt.
Hinter Ralles Raubauzigkeit läßt Matthias Henkel Unsicherheit durchscheinen und seine Sehnsucht, wenn man Heimat nicht mehr sagen dürfe, wolle man trotzdem gerne eine haben. Mit seinem Bruder, Lisas Vater, streitet er sich, wer von beiden „rechter“ ist und doch vereint sie die West-Sicht auf ihresgleichen, „keiner lässt uns mitspielen, also fangen wir an zu quengeln“. Michael Heuser gibt seiner Figur den Zorn mit: Sie wollen nicht länger fertig erzogen werden von denen.
Dann schlüpft Lisa – von Sophie Lüpfert differenziert zwischen Kampfpose und selbstquälerischen Fragen dargestellt – in ein adrettes Dirndl, um Frieden zu stiften. Doch bald knallt es, ein Brandanschlag zerstört die Kneipe, die Familie rettet sich hinter die Theke. Nach dem brutalen Ende – weil die Mutter mit deren Aktivität geprahlt hatte, wird Lisa vor laufender Handykamera als „Zecke“ totgetreten –, herrschte minutenlange Stille, gefolgt von langem Applaus.