Foto: Annette Dasch und Tänzer in der „Frau von Format” © Matthias Jung
Text:Andreas Falentin, am 12. Mai 2025
Christian von Götz und Adam Benzwi haben an der Oper Köln eine neue Operette ausgegraben: „Eine Frau von Format“ von Michael Krasznay-Krausz. Die Aufführung gelingt dank intelligener Bearbeitung und Ensembleführung – und dem Star Annette Dasch.
Der Regisseur Christian von Götz hat „Eine Frau von Format“ des heute unbekannten Komponisten Michael Krasznay-Krausz ausgegraben, Dirigent Adam Benzwi hat das Stück neu arrangiert und der Musiker Daniel Busch orchestriert. Entstanden ist die zugespitzt Version einer Operette, die Brücken ins Heute schlägt.
Ungarischer Akzent in Silistrien
Nach einem schmissigen Chor zu Beginn – der Chor der Kölner Oper singt präsent, transparent und einsatzsicher wie selten – folgt eine lange Dialogszene zwischen dem Grafen von Tökoli und seinem Leibhusaren Pista Báron. Wolfgang Stefan Schwaiger gibt den Grafen auf wienerisch und Richard Glöckner parliert als Pista mit penetrantem ungarischem Akzent. Sie erklären die Grundsituation des Stückes: Wir sind im Fantasieland Silistrien. Die Gesandtschaften aus Ungarn und der Türkei reisen an, um einen Handelsvertrag abzuschließen. Wer wird gewinnen?
Ein typischer Anfang für das Genre Operette, die ein Amüsement für die patriarchalische Gesellschaft erst in Paris war, dann in Wien, schließlich in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts in Berlin. Textbücher voller frauenfeindlicher Klischees und kultureller Aneignung zum Schenkelschlagen, in denen es stets um Macht und vor allem Sex geht, garniert mit einer fröhlich machenden Tanzmusik.
In der Kölner Aufführung stimmt das Timing von Anfang an, die Pointen sind gut gesetzt. Das gibt dem Stück eine Leichtigkeit. Dieter Richter hat eine Art Türenkarussell auf die Drehbühne gesetzt, ständig werden diese Türen benutzt: für Auftritte, für Gags oder man sieht durch eine geöffnete Tür Choristen, die sich ausruhen.
Authentischer Charme in einer verrückten Handlung
Dann wird über den Türen ein Ballsaal enthüllt – und der Star tritt auf. Der türkische Gesandte ist eine Frau, ein Affront im Jahr 1927, als das Stück in Berlin uraufgeführt wurde. Und ein tolles Spielmaterial für die heutige Zeit. Annette Dasch als Dschilli Bey kann alles: Tango tanzen, nackte Haut zeigen, ihre Stimme vom Sprechen bis zu den höchsten Gesangstönen lückenlos führen, vor allem aber mit dem Publikum interagieren. Mit ihrem Auftritt wird das Stück interessant, weil sie es immer wieder kommentiert, aus der Rolle tritt und dabei Operetten-Klischees geißelt.
Plötzlich spricht auch Richard Glöckner nicht mehr ungarisch. Er beschwert sich über das Bühnenschicksal des Buffo-Tenors, der immer rennen muss und komische Dinge tun, wie diesen ungarischen Akzent zu sprechen. Er legt ihn ab und spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist – sächsisch. Wolfgang Stefan Schwaiger redet wienerisch, Annette Dasch berlinert und plötzlich haben wir authentischen Charme in einer verrückten Handlung, wo auch Wolfgang Stefan Schwaiger mit hohem Bariton und Richard Glöckner mit geläufigem Tenor brillieren. Nach einer großen Szene mit Ausziehen und Kleidertausch auf offener Bühne, die überhaupt nicht anzüglich oder schlüpfrig gerät, ist Pause.
Fanal für eine feministische Operette
Nach der Pause stehen drei Kisten auf der Bühne. Drei Frauen klettern daraus hervor, der türkische Gesandte, die Fürstin von Silistrien (Claudia Rohrbach) und die junge Lya, die Tochter des Generalkonsuls (Giulia Montanari) und singen ein Couplet, das Annette Dasch neu getextet hat, ein Fanal für jene „Feministische Operette“, die dem Regisseur laut Programmheft vorschwebte.
Und dann bricht es los, das Operettengewitter, der berühmte Tanz auf dem Vulkan, wo es nur um Macht, Geld und Sex geht, eingeleitet vom Gürzenich Orchester unter Adam Benzwi, das nie knallig klingt, immer flüssig, fast zart, auch im Forte transparent. Sarah Mittenbühler schafft immer neue verrückte Kostüme. Die Handlung weist noch den Generalkonsul aus Köln (Stefan Sevenich) auf, der den silistrischen Kanzler (Dalia Schaechter) bestochen hat, der wiederum einen Kampf um Macht und Korruption mit Baronin Manulescu austrägt (Tobias Hieronimi). Alle Fäden werden entwirrt, niemand heiratet, alle haben sich lieb und bitten das Theater um Asyl, weil sie nicht wissen, wo sie so lieben und leben sollen, divers und spontan.
Das Theater als letzte Utopie? Das ist vielleicht etwas weit hergeholt, aber so, wie hier gespielt und gesungen wird, mit Leichtigkeit und Timing und Zusammenklang, ist das schon ein Vorbild für die Szene. Und ein Lebenszeichen für die Operette.