eine Bühne mit zwei Seitentribühnen mit Zuschauern. Auf die Rückwand projiziert steht V13

Das Böse in einer Box

Emmanuel Carrère: V13 – Die Terroranschläge in Paris

Theater:Schauspiel Köln, Premiere:13.11.2025 (UA)Regie:Stephan Kimmig

Innerhalb des Schwerpunkts „Theater und Journalismus“ am Schauspiel Köln inszeniert Stephan Kimmig „V13 – Die Terroranschläge in Paris“. Das Stück basiert auf der Gerichtsreportage von Emmanuel Carrère und wirkt bei dem sensiblen Stoff teils überdramatisch.

V13 steht für Vendredi treize, für Freitag, den 13. November vor zehn Jahren, als in Paris mehrere Attentate verübt wurden – bekanntester Tatort darunter ist wohl der Bataclan Club. Nach Angaben der französischen Regierung starben 130 Menschen und knapp 700 wurden verletzt. Die terroristische Vereinigung Islamischer Staat (IS) bekannte sich zu dem schrecklichen Blutbad.

Stephan Kimmig macht sich in seiner Inszenierung auf die Suche nach dem Ursprung für diese extremistische Gewalt im neunmonatigen Gerichtsprozess, der sechs Jahre danach begann. Der Stücktext beruht auf der gleichnamigen Gerichtsreportage des Schriftstellers Emmanuel Carrère, der den Prozess für die Zeitung Le Nouvel Obs begleitete.

Eine minimalistische Bühne aus Holz (Oliver Helf): wenige Requisiten – ein paar Tische, ein einzelner Stuhl, Kameras – , zwei zusätzliche Publikumstribünen links und rechts auf der Bühne und der große Schriftzug „V 13“ vor einem Bild des Justizpalasts auf der Île de la Cité auf die Bühnenrückwand projiziert eröffnen das konzentrierte Bühnentribunal. Die inszenierte Verhandlung erscheint naheliegend: „Hinten sitzen die Journalisten und Angehörige, rechts die Anwälte der Nebenkläger. […] Und ganz links die Glasbox mit den Angeklagten“ – so unterteilen Claude de Demo und Paul Grill mit Gesten das Publikum in die Prozessteilnehmenden und führen von da an schlicht schwarz gekleidet nur zu zweit durch manchmal schwer aushaltbare zwei Stunden mit detaillreichen Beschreibungen von Verletzungen und zerfetzten Körpern.

Komplexer Prozess

Die Inszenierung dieses komplexen Prozesses ist bei diesen grausamen Taten eine Mammutaufgabe, das Thema auf die Bühne zu bringen erscheint zehn Jahre nach den Taten trotzdem richtig und wichtig. Carrère unterteilt sein Buch in Kapitel, die der Prozessstruktur folgen. Kimmig fokussiert verschiedene Ausschnitte, die durch die Aneinanderreihung und Erzählweise leider in der Grundhaltung manchmal überdramatisieren.

zwei Personen auf einer Bühne, dahinter noch einmal größer projiziert

Claude De Demo und Paul Grill. Foto: Birgit Hupfeld

De Demo und Grill switchen zwischen Erzähler:in, verschiedenen Rollen oder lesen Statements von Betroffenen vor. Der im Hintergrund laufende Sound von Michael Verhovec – ein Klicken, mit dem de Demo und Grill zuvor Schüsse imitieren, ein Uhrticken oder eine Art tiefes, leises Grunddröhnen – unterstreichen die gespannte Stimmung. Was de Demo und Grill vortragen, ist teilweise sehr berührend und nahbar – was auch am Inhalt vorgetragener Zeugenaussagen liegen mag –, wirkt teilweise aber überdramatisch. In der Rolle von Arabistik-Professor Hug Micheron schlägt Grill etwa einen sehr exaltierten Ton an, und als er einen Ankläger spielt, dessen Tochter ermordet wurde, läuft er wie ein Gorilla mit erhobenen Fäusten an den Zuschauerreihen entlang und faucht sie wütend an.

Sensibles Thema

Das Ausmaß des Prozesses, was darin innerhalb von neun Monaten gehört und erlebt wurde und all die feingliedrigen gerichtlichen Mechanismen, entzieht sich wohl der Vorstellungskraft. Erwähnenswert ist der Kontext der Inszenierung: Im Saal sitzt ein ebenso weißes Publikum und Inszenierungsteam, wie es auch vom Großteil der Teilnehmenden im Gerichtssaal beschrieben wird. Groß projiziert werden derweil die Namen der Angeklagten auf der Bühnenrückwand, anhand derer de Demo und Grill die Vernetzung der „Mörder“ und „Mittäter“ erklären. Wie schon Carrère das „Wir“ und „die“ in seiner Reportage durchaus empathisch beschreibt, entsteht so im Gedanken auf Racial Profiling ein etwas flaues Gefühl. Zu erwähnen ist hier allerdings, dass es wegen technischer Schwierigkeiten kurz danach keine weiteren Projektionen mehr auf der Rückwand gab außer die sich selbst filmenden Schauspieler:innen.

Mit dem Theater als Empathiemaschine im Hinterkopf untermauert das eine ungute Grundhaltung der Inszenierung. Gerade der Saal eines Theaters ist schließlich auch ein Aushandlungssaal von Menschlichkeit. Wo das berührend gelingt, ist in der jüngst uraufgeführten Oper „American Mother“ von Charlotte Bray über den vom IS enthaupteten Journalisten James Foley am Theater Hagen. Die Oper nimmt sich Zeit und beschreibt die Begegnung der Mutter des ermordeten Foley mit einem inhaftierten Terroristen. So spannend, schrecklich und wichtig der Stoff in Köln also ist: Bitte mit Vorsicht besuchen.