Die Bühne ist staubig, an den Wänden prangen Graffiti, zwei A-förmige Luftballons wehen im lauen Sommerabendwind. Zuseiten der Open Air-Bühne auf dem Außengelände des Leipziger TV-Clubs stehen zwei überdimensionale Eistüten. Dann setzt der Song „Alle gegen alle“ von D.A.F. ein; fünf rotgewandete Droogs stürmen auf die Bühne und gebärden sich in einer Mischung aus Boybandmitgliedern und satanischen Strippenziehern.
Der düstere Elektropop setzt den Ton für den Abend und ist auditive Allegorie für die treibende, verführerische und faschistoide Beschaffenheit der Gewalt, die an diesem Abend mit „A Clockwork Orange“ theatral verhandelt wird.
Der Roman von Anthony Burgess wird immer wieder neu diskutiert. Gerade der stilprägenden Filmadaption Stanley Kubricks von 1971 wird öfter vorgeworfen, sie würde Gewalt ästhetisieren. Das Künstlerinnenduo schaefer||scherpinski zeigt in ihrer Inszenierung für das Sommertheater der Cammerspiele Leipzig erneut, dass diese Interpretation zu kurz greift, und geht mit dem kontroversen Stoff äußerst feinsinnig und einfallsreich um. Deutlich wird besonders die allumfassende, strukturelle Gewalt der Gesellschaft mit ihren Fallstricken und Paradoxien: die Doppelmoral der folternden Aufseher in der Besserungsanstalt, das moralische Dilemma des Systemgegners, der einerseits von Menschenliebe und Freiheitsgedanken angetrieben ist, andererseits aber am tiefen Schmerz über den Verlust seiner Frau leidet, die Alex ihm durch Gewalt nahm – und der den jungen Kriminellen aus Rache schlussendlich als Spielball politischer Kämpfe ausnutzt.