Der erhobene Zeigefinger einer an der Rampe agierenden Ballerina gibt das Startsignal. Dann huschen, tändeln und turnen die vierzehn Solisten der Mannheimer Compagnie in unterschiedlichsten Formationen, öfters auch einzeln, aus Öffnungen und Spalten von Vorhang und Zwischenwänden hervor, die Hinterbühne (für die Musik) und Vorderbühne (für den Tanz) zum Schein voneinander trennen. Beflügelt von musikantischen Akzenten überbringt das Kevin O’Day Ballett eine frohe Botschaft: Seht her, Töne tanzen!
Kein Plot, keine langatmig erzählten Geschichten stören die pure Freude am Tanz. Der Stil ist zeitgenössisch abstrakt, getanzt wird in champagnerfarbenen oder bläulich schimmernden Trikots und strahlendem Licht, meistens auf flachen Sohlen. Auch neoklassisch ausgeformte Figurationen mit Ansätzen von Spitzentanz fügen sich in die Abläufe ein. Das alte Spiel der Geschlechter-Anziehung und -Abstoßung wird nicht nur als Black-and-White-Kontrast von einem farbigen Tänzer und einer hellhäutigen Blondine zelebriert. Tänzerinnen schweben, bereiten sich flügelschlagend auf ihren virtuellen Abflug vor. Zwei Männer schaukeln ein Mädchen, die Arme untergehakt, in ihrer Mitte. Einige treten trotz heftigster Vorwärtsbewegung wie angewurzelt auf der Stelle, andere nehmen am Instrumentalspiel in den Vordergrund getretener Schlagwerker unmittelbar teil. Chaos und Hektik werden von zeitlupenhaft zerdehnten Episoden abgelöst. Dann zeichnet eine ausgeflippte Akteurin mit verqueren Schraub-Drehern eine Transversale von einer Bühnenecke zur anderen. Individuelle Spontaneität ist Trumpf. Doch obwohl synchroner Ensemble-Tanz keinerlei Chance hat, spürt man beim Zuschauen die unerhörte Exaktheit und Disziplin in der mühelos scheinenden Kreativität. Ein faszinierender Abend.