Foto: Versteckspiel für den Hochadel. © Karl Forster
Text:Manfred Jahnke, am 13. Dezember 2025
Am Landestheater Schwaben inszeniert Klaus Philipp das Stück „Jugendliebe“ von Ivan Calbérac. Die Boulevardkomödie weiß bestens zu unterhalten, wird aber zwischendurch von ihrer Drehbühne ausgebremst.
Das Geheimnis des Boulevardtheaters liegt zum einen im Spieltempo, zum anderen im Servieren von Pointen, die so ganz nebenbei aus dem Nichts zu kommen scheinen. Beide Bedingungen erfüllt „Jugendliebe“ des französischen Autors und Filmemachers Ivan Calbérac. Ein amerikanischer Millionär, der sich aus sozialen Tiefen hochgekämpft hat, will eine Frau aus dem französischen Hochadel heiraten. Aber da taucht Mary-Lou auf, die als Krankenschwester in Malawi arbeitet und sich von ihm scheiden lassen will. Toni erinnert sich nur mühsam daran, dass er Mary-Lou vor 25 Jahren in Mexiko geheiratet hat. Was tun, denn seine Noch-Frau hat nun Anspruch auf die Hälfte seines Vermögens?
Eine Lösung wäre, sich zu verkleiden, vorzugeben, in tiefer Armut zu leben. Dazu muss man nur die Penthouseluxuswohnung mit der von der Haushälterin in der Bronx tauschen, der Haushälterin ein wenig mehr Lohn zuschanzen und eine französische Hochadlige Vulgärsprache üben lassen. Dazu gehört auch, dass der Millionär auf Vermittlung seiner Ehemaligen als Müllmann arbeiten muss. Das hat komisches Potenzial. Zumal, wenn sich am Ende zeigt, dass Mary-Lou das ganze Spiel von vornherein durchschaut. Das Maskenspiel von Toni, einschließlich des Essens von Katzenfutter, war für die Katz.
Zu viel Umdrehungen
Als komödiantisches Spiel von Schein und Sein funktioniert „Jugendliebe“ bestens. Klaus Philipp führt es in seiner Inszenierung am Landestheater Schwaben in Memmingen mit hohem Tempo vor. Allerdings wird er paradoxerweise durch die Drehbühne (Ausstattung: Ulrich Leitner), die eigentlich schnelle Verwandlungen ermöglichen soll, ausgebremst. Diese bewegt sich zwischen den Szenen hin und her im Dunkel. Bühnenarbeiter machen im Arbeitslicht kleine Umbauten, aber das Spiel wird dadurch abgestoppt.
Sinnfällig wirkt das nicht. Zumal Leitner auf der Drehbühne zwei detailverliebte Räume aufbaut. Zum einen eine Dachterrasse eines Penthouses mit einer Sauna im Hintergrund, aus der auch schon einmal Rauch quillt. Zum anderen ein dunkles Verlies mit vielen Katzenbildern an der Wand. Eingerahmt wird der Drehbühnenaufbau von der Silhouette New Yorks. Dazu erklingt zwischen den Szenen Swingmusik aus den fünfziger Jahren.
Pure Unterhaltung
Dieser komischen Konfrontation von Arm und Reich kann man, wenn man will, einen theoretischen Überbau geben, aber Calbérac hat nur eines im Sinn: die Strategien eines Spiels, das am Ende nur Sieger kennt. Die Haushälterin bekommt ihre Gehaltserhöhung. Toni muss mit Mary-Lou, die mit seinem Rechtsanwalt davonzieht, sein Vermögen nicht teilen. Die Adlige Diane bekommt schließlich ihren Mann. Lauter private Glücksmomente, die sich schlecht als soziale Frage verkaufen lassen. Und das Memminger Ensemble macht das gut.
Zwar „leuchtet“ Cindy Walther als Mary-Lou nicht „von innen“, wie es im Text heißt. Aber sie bringt Ruhe ins Spiel. Ihre Empathie ist überwältigend, wobei sie die Balance vom Handeln in der Situation und die Kenntnis von Tonis Inszenierung bis zum Schluss eisern durchhält. Nur in wenigen Augenblicken blitzt auf, dass sie die geheime Macherin dieses Spiels ist. So bleibt die Spannung bis zum Schluss.
Überzeugendes Ensemble
In der Rolle des Toni brilliert Harald Schröpfer. Ein Selfmademan, der meint, alle Fäden in der Hand zu halten, und es als Mann nur schwer verkraftet, dass man mit ihm spielt. Dann poltert er als hemdsärmeliger Geizkragen. Er geht in seinem Spiel auch so weit, „Katzenfutter“ auf kaltem Toastbrot zu essen und dazu eindrucksvoll zu grimassieren. Aber – auch das zeigt Schröpfer – seine Figur kann nicht verlieren, sie muss gewinnen.
Julia Schmalbrock spielt die verwöhnte französische Dame von Hochadel, die hochgetakelt gerade von einem Einkauf aus Paris zurück ist. Sie hat sichtlich Spaß, nach anfänglichem Widerstreben sich vulgär ausdrücken zu dürfen. Ein wenig unvermittelt mutet ihr der Autor am Ende zu, plötzlich ganz schnell heiraten zu wollen. Michael Naroditski als Rechtsanwalt und Roberta Monção runden das Ensemble ab, das als Ganzes die Gesetze des Boulevardtheaters aufs Beste erfüllt – wenn da nicht die Drehbühne zwischen den Szenen wäre.