Foto: Zu zweit stemmen Lucie Emons und Tom Gramenz den hochtourigen Abend am Badischen Staatstheater Karlsruhe. © Felix Grünschloß
Text:Manfred Jahnke, am 16. Dezember 2018
Steve, in Democamps gegen den Atomkrieg aufgewachsen, ist von seiner Mutter zu einem männlichen Feministen erzogen worden, Kate von ihrem Vater, der lange in Lagern leben musste, zur „perfekten“ Frau. Beide sind, wie ihre Erzieher in der Vergangenheit, gerade von ihren Partnern verlassen worden. Auf einem Fest, zu dem man sich verkleiden muss, bittet Kate Steve, sie anzumachen, um Ross, der sie hat sitzen lassen, zu provozieren. Daraus entsteht eine körperliche Annäherung, bei der Kate erkennen muss, dass sie gar nicht weiß, wie sie ihr Leben selbst bestimmen muss. Die englische Autorin Samantha Ellis schlägt in „How to date a feminist“ aberwitzige Kapriolen, um die Handlung voranzutreiben, die am Ende immer noch einen Tick schneller werden. Kate und Steve sind schließlich noch nicht einmal 90 Minuten verheiratet, da haut Steve nach einem Streit ab – als sie entdeckten, dass seine Mutter und ihr Vater auf der Hochzeitsfeier miteinander knutschen. Er kehrt zu seiner alten Freundin Carina zurück und will sie nun heiraten. Das erfährt Kate in letzter Sekunde und rettet ihn vor dieser fatalen Entscheidung. Sie weiß jetzt, dass sie ihn liebt; er zweifelt, ob ein Mann ein Feminist sein kann. Und, wenn sie nicht gestorben sind…
Ellis bedient auf der Handlungsebene scheinbar die Formen des Edelboulevards, arbeitet mit vielen Klischees, die gleich wieder gebrochen werden. Kate und Steve sind zwei reflektierte Charaktere, die immer wieder in Situationen geraten, die sie überfordern, weil sie mit ihren Denkschubladen kollidieren. Man kann es auch eine aberwitzige Konstruktion nennen, eine Maschine, die sich erst einmal auf hohen Touren überdrehen muss, um am Ende ins richtige Gleis zu geraten. Aber Ellis treibt diesen Aberwitz noch weiter voran, in dem sie einen Spieler und eine Spielerin alle sechs Rollen spielen lässt, also Kate, Carina und Morag, die Mutter von Steve, und Steve, Ross und Joe, den Vater von Kate. Die Rollenwechsel gehen Schlag auf Schlag. Zum Ende hin wird auch hier das Tempo erhöht, zum Schluss gar ohne einen Kostümwechsel.
In Karlsruhe vertraut man einer ganz jungen Mannschaft. Für Jenny Regnet ist es erst die zweite Regiearbeit an einem Theater. Wenn man alten Theaterhasen zuhört, erzählen sie stets, wie schwer es ist, eine Komödie zu inszenieren. Regnet hat ein Händchen dafür, ein Gespür für Timing und Tempo. Wie das Kostüm (Kostüme: Jamil Sumiri) von Joe, dem Vater von Kate, inszeniert wird, ist dafür exemplarisch: beim ersten Auftritt ein überdimensioniertes Kartonkostüm, beim zweiten Auftritt ein geschrumpftes und beim dritten dann normal am Körper. Deutlicher kann in dieser Abfolge nicht das Schrumpfen des Über-Ichs von Kate demonstriert werden. Damit alles schnell ablaufen kann, hat Bühnenbildnerin Anne Horny eigentlich nur einen Wandteppich in Grüntönen geschaffen, der auf den Boden nach vorne weiter geht. Links steht eine Augenplastik, die nur am Ende einmal angeleuchtet wird, rechts ein roter Ball.
Mit Lucie Emons und Tom Gramenz entwickelt Jenny Regnet eine gelungene Inszenierung, dabei wird oft direkter Kontakt zum Publikum gesucht und an einigen Stellen auch im Zuschauerraum gespielt. Lucie Emons spielt ihre Rollen trotz aller Eloquenz mit erfrischender Naivität, die Verwandlungen sind genau gesetzt. Tom Gramenz ist ein komödiantisches Talent, das mit ungeheurer Lust in seine Rollen einsteigt. Und so ist ein unterhaltsamer Abend entstanden, wenn man sich manchmal auch noch ein paar Kürzungen gewünscht hätte (weil denn doch trotz aller Abgedrehtheit vieles vorhersehbar ist).