„Das Konzept der Überschreibung im Theater interessiert mich im Theater eher wenig”, formuliert Roland Schimmelpfennig in einem Interview im Programmheft. Konsequent wird sein neues Stück „Siebzehn Skizzen aus der Dunkelheit“ nun nicht mehr als Überschreibung des „Reigen“ von Arthur Schnitzler vom Schauspiel Stuttgart beworben, sondern der „Reigen“ als Vorlage benannt. Die zehn Dialoge, die noch bei der Uraufführung 1920 einen Skandal verursachten, hat der vielbeschäftigte Autor Schimmelpfennig in siebzehn Skizzen verwandelt. Die Struktur der Vorlage behielt er dabei weitestgehend bei. Seine Veränderungen betreffen zum einen den spielerischen Umgang mit den Szenen selbst, die in mehreren Anläufen Varianten ausprobieren, zum anderen den „Schnitt durch die Gesellschaft“: Süßes Mädel, anständige Frau, junger Herr sind Zuschreibungen aus dem Fin de siècle, die nicht mehr ganz leicht zu entschlüsseln sind – und vor allen Dingen auch vorführen, wie sehr die Frau allein als Objekt männlicher Begierde wahrgenommen wird.
Die Frauen sind bei Schimmelpfennig selbstbewusst. Selbst dort, wo sie durch den Chef missbraucht werden wie das Zimmermädchen Jessica, die Celina Rongen als verhuschtes Wesen vorführt. Gegen Chef Frank, den Marco Massafra aalglatt-pornogeil dargestellt, weiß sie sich aber zu wehren, zeigt ihn bei der Direktion an, er verliert seinen Job. Nach dem Prinzip des Reigens trifft er dann auf Nina, eine emanzipierte Frau, die ihre Datings per Internet abcheckt, aber da bekommt Frank trotz allen Bemühens nicht einmal eine Erektion. Katharina Hauter spielt diese Rolle total cool, überlegen, versucht sich außerhalb der Ehe mit Johannes, dem Matthias Leja skizzenhafte intellektuelle Züge gibt, einmal die Woche mit anderen Männern sexuell zu befriedigen. Johannes kämpft um seine „Würde“, mit Kreide schreibt er auf die Drehbühne einen Brief, in dem er das Ende der Ehe ankündigt. In drei Variationen wird diese Szene zwischen Nina und Johannes vorgeführt, bis auf den Schluss fast wortgleich, nur fallen am Ende der jeweiligen Szene andere Entscheidungen: So geht nach der ersten Fassung Johannes wirklich, in der zweiten schickt ihn Nina aus dem Haus und droht ihm mit dem Anwalt.