Foto: Elisabetta und Maria Stuarda auf ihrer jeweiligen Drehscheibe. © SF/Monika Rittershaus
Text:Regine Müller, am 2. August 2025
Die Salzburger Festspiele zeigen Donizettis „Maria Stuarda“. Dabei setzt Regisseur Ulrich Rasche auf zwei Drehbühnen, die die beiden Königinnen Elisabetta und Maria Stuarda gegenüberstellen und voneinander abgrenzen sollen. Eine Entscheidung, die die Darstellenden in Bewegung bringt und viele beeindruckende Bilder liefert, aber auch einige Störgeräusche zu einem Teil der Inszenierung macht.
Als Ulrich Rasche vor zwei Jahren bei den Salzburger Festspielen Lessings „Nathan der Weise“ auf der Perner-Insel inszenierte, sah man den Klassiker als unerbittlich skandierendes Text-Ritual. Den bedrohlichen Sound-Teppich dazu lieferten minimalistische Patterns einer Band sowie Schleif- und Maschinengeräusche der unablässig kreisenden Drehbühne, die bekanntlich Rasches Markenzeichen ist.
Beim Musiktheater und erst recht bei einer filigranen Belcanto-Partitur wie bei Gaetano Donizettis „Maria Stuarda“ sind Störgeräusche dagegen unerwünscht. Zudem gibt sie nun einmal Rhythmus und Gestus vor und kann und darf sich nicht den Gesetzen der Maschine unterwerfen. Keine leichte Aufgabe für den Regisseur, der sich erst zum dritten Mal überhaupt mit dem Musiktheater beschäftigt.
Scheibenwelten
Rasche wartet diesmal sogar mit drei Scheiben auf: zwei in alle Richtungen bewegliche und fahrbare Drehbühnen, die jeweils noch gegenläufig drehende Elemente in sich führen. Dazu kommt eine leuchtende Scheibe über der Szene, die mal als verschiedenfarbige Licht- und Stimmungsquelle, mal als Projektionsfläche für Videos fungiert.
Die beiden Königinnen Elisabetta und Maria Stuarda, die sich im wirklichen Leben nie begegnet sind, sich aber in der schillerschen Libretto-Vorlage einen berühmten Showdown-Dialog liefern, agieren jede auf ihrer meist langsam sich drehenden Scheibe. Zwei Scheiben, zwei Welten. Allein bleiben die Königinnen nie, denn beide sind umgeben von einem Bewegungschor, der schattenhaft unkonkret bleibt, aber als dunkle Macht selbst im Respektabstand stets präsent bleibt und durch pure Gegenwart Druck und Macht ausübt.
Schreiten in Schwarz-Weiß
Donizettis nach Flexibilität und Rubati verlangende Tempi, die in sich eigentlich immer schwingen sollten, machen es Rasches Grundprinzip der gehenden Bewegung nicht leicht. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Personal im Donizetti-Rhythmus schreiten zu lassen, zumeist in gemessenem, um nicht zu sagen langsamem Tempo, was für alle Beteiligten angesichts der oft herrschenden Schrägen enorm kraftraubend sein muss.
Auch Maria und Elisabetta sowie die weiteren Solistinnen und Solisten müssen beim Singen beständig schreiten. Ein gewöhnungsbedürftiger Umstand, der aber bald nicht mehr stört und tatsächlich eine Art von nervöser Spannung erzeugt, die den teils antiquierten, ritualisierten Gesten Kontra gibt. Sarah Schwartz‘ Kostüme beschränken sich auf eine strenge Schwarz-Weiß-Ästhetik und zeitlose Linien. Maria trägt natürlich weiß, kurz vor dem Gang zum Schafott ein durchscheinendes Glitzerkleid. Elisabetta ist überwiegend in Schwarz und Anthrazit-Tönen gekleidet. Der Bewegungschor erscheint in Schwarz. Aus Marias Begleitern werden am Ende nackte Schmerzensmänner mit weißem Lendentuch.

Marias Begleiter in weißen Lendentüchern. Foto: SF/Monika Rittershaus
Als am Beginn des zweiten Aktes Elisabetta zögert, Marias Todesurteil zu unterschreiben, greifen Elisabettas höfische schwarze Männer entschieden nach ihr. Elisabetta handelt also auf höfischen Druck. Wenn man so will, ist das ein Hinweis auf politische Hintergründe und die dynastischen Machtverhältnisse, die Rasche ansonsten aber komplett ausblendet. Zumal er den Chor als Handlungsträger ganz von der Bühne ins Off verbannt. Nur schemenhaft kann man ihn in Logen an der Rückwand erkennen, was sich als musikalisches Problem entpuppt, denn Antonello Manacorda am Pult der Wiener Philharmoniker gelingt es über diese riesige Distanz oft nicht, das Geschehen zusammenzuhalten.
Musik mit Potential
Dabei beginnt die Ouvertüre vielversprechend: Manacorda lässt es nicht krachen und knattern, sondern setzt auf Feinschliff und Wohlklang. Betörend melancholisch singt das Klarinettensolo und lässt das traurige Ende ahnen, seidig klingen die Streicher, diszipliniert das Blech. Auch die Besetzung der beiden Kontrahentinnen unterläuft gängige Belcanto-Klischees: Lisette Oropesa führt ihren famos gelenkigen, lyrisch-weich timbrierten Koloratursopran geschmackvoll, ganz ohne Triumphgeste. Die Spitzentöne klingen teils etwas unfrei und flach, aber das wird sich einspielen.
Auch Kate Lindsey in der Mezzo-Rolle der Elisabetta kommt vom lyrischen Fach, spart sich knatterndes Keifen, klingt aber farblich zu ähnlich dem Koloratursopran von Oropesa, was die Trennschärfe im berühmten Duett erschwert. Bekhzod Davronovs Tenor als Roberto, Objekt der Begierde der Elisabetta und Marias Liebhaber zeigt italienische Farben, kann in puncto Belastbarkeit aber noch zulegen. Aleksei Kulagin ist ein sonorer Talbot.
Am Prinzip vorbei
Trotz Rasches diskreten Hinweisen auf die große Politik im Hintergrund, deutet er den Grundkonflikt zwischen Maria und Elisabetta als simple Eifersuchtsgeschichte. Maria laufen die Männer nach, insbesondere der von Elisabetta begehrte Roberto, und das erträgt sie nicht. Auf der Video-Scheibe sind immer wieder Close-ups mit Maria zu sehen, nach der begehrende Männerhände greifen, offenbar Elisabettas zwanghafte Fantasien. Dadurch erotisiert Rasche den Plot und unterwandert eigentlich das eigene Stil-Prinzip, das immer auch inhaltlich zu lesen ist. Nämlich die unbarmherzige, zermalmende Macht der Gesellschaft zu zeigen, die im Schauspiel als skandierender Chor auftritt und hier durch die Dunkelmänner verkörpert ist. Das Individuum ist nichts, der Druck der Verhältnisse alles.
Ein Fazit dieses Abends fällt nicht leicht: Es ist faszinierend, wie Rasche Donizettis Musik sozusagen in kinetische Energie überführt, wie er den Ziergesang dem archaischen Ritual annähert. Es gibt viel zu sehen, hoch virtuos steuert die Technik die beweglichen Scheiben, die sich zu immer neuen Konstellationen ordnen und immer neue, hoch ästhetische Bilder produzieren. Und leider auch Geräusche, die stören. Ein interessanter, trotz sängerischer Hochleistungen aber nicht unmittelbar mitreißender Abend.