Mitja Over als Dorian Gray

Schöne Bescherung

Nach Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray

Theater:Schauspiel Frankfurt, Premiere:12.12.2025 (UA)Regie:Ran Chai Bar-zvi

Ran Chai Bar-zvi schafft aus Oscar Wildes Roman „Das Bildnis des Dorian Gray” in den Kammerspielen des Schauspiel Frankfurt ein queeres Drama, das beeindruckt – und etwas an der Oberfläche bleibt. 

Oscar Wilde, der Autor brillanter Bonmots und geistreicher Dialoge, hat mit dem Roman „The Picture of Dorian Gray“ ein schillerndes Werk geschrieben, das wie Wildes eigenes Leben voller Widersprüche ist. Der schöne Jüngling Gray erhält seine Jugend dauerhaft, während sein Porträtbild altert. Was in den geistreichen Worten des Begleiters Lord Henry immer wieder wie eine Feier des Ästhetizismus und Snobismus wirkt, wird durch die Fabel über einen Mann, der seine Seele verkauft hat, in der Summe eher zu einer Warnung vor der rücksichtslosen Feier des Selbst.

Geschlossene Gesellschaft

In der Inszenierung von Ran Chai Bar-zvi in den Kammerspielen des Schauspiel Frankfurt – in der Textfassung des Regisseurs mit Dramaturg Lukas Schmelmer sowie auf der Bühne Bar-zvis  – wird das epische Gesellschaftspanorama des viktorianischen England zunächst zu einem konzentrierten Spiel zwischen drei Männern. Wie in einer Gesellschaftskomödie Wildes („The Importance of Being Earnest“ als bekannteste) plätschert das abgründige Gespräch vor sich hin – allein hier ist die Gesellschaft eine geschlossene homophile Männerwelt à la trois.

Stefan Graf spielt als Lord Henry den Spielmacher und Verführer zu Jugendwahn und Selbstliebe, Miguel Klein Medina ist der hilflos verliebte Maler Basil Hallward und somit Schöpfer des Bildes, das Stein des Dramenanstoßes wird. Mitja Over spielt schließlich einen überzeugenden feenähnlichen Jüngling, der im Lauf des Spiels an Selbstbewusstsein und Rücksichtslosigkeit gewinnt. Die zwei anderen Männer in schwarzen Lackstiefeln und -handschuhen bilden anfangs einen deutlichen Kontrast zum weiß gewandeten Unschuldslamm (Kostüme: Belle Santos), das dann im Slip für beide posiert.

Projektion und Seele

In einem schlichten Bühnenkasten sorgt eine Drehwand für Wandel und gleichzeitige Konstanz. Die drei Gestalten bewegen sich sich in einem Kunstraum, der  ähnlich der Hauptfigut eine  offene Projektkionsfläche darstellt. Farbe kommt durch einen Theatervorhangstoff auf der um sich selbst drehenden Mauer ins Spiel, wenn Dorian von seiner Liebe zu einer jungen Schauspielerin berichtet. Noch bevor Dorian am Ende des Romans sich durch das Aufschlitzen des Bildes selbst hinrichtet, blendet sich die bestens getimte und souverän durchorchestrierte Inszenierung aus der Handlung Wildes aus. Dorian wird beim divenhaften Ausflug in die Publikumsreihen von Basil nur kurz gebremst; immerhin kehrt er auf die Bühne zu Bild und ehemaligem Freund zurück, was der nicht überlebt. Und Henry steht dem äußerlich strahlenden Gray nun als traurig Gealterter gegenüber.

Das Bildnis bleibt fürs Publikum die holzfarbene Wand. Am Ende der anderthalb Stunden wird Mitja Over vor drei spiegelnden Bildern im Kreis umher laufen und dann verschwinden. Das ist darstellerisch, konzeptionell und rhythmisch (Musik/Komposition: Evelyn Saylor) brillant. Allerdings bleibt das Spiel bei allem gekonnten Einsatz der Darsteller kühl, lassen die Schicksale der drei Männer eher kalt – so wie Dorian Gray nach dem Tod seiner Verlobten schnell zur Tagesordnung, ein Opernbesuch, überging.

Doch zuvor schließt sich noch der altmodisch-rote Vorhang. Und die drei Darsteller treten aus dem Spielfeld heraus und performen teils chorisch die „Extended Version“ des „Dorian Gray“ von Marcus Peter Tesch. Sie formulieren in diesem eher lyrischen Text Selbstliebe vor dem eigenen Bildnis, beschreiben und beschreien den Akt der Penetration, und erden am Ende das große Drama des Dorian Gray als – queeres ? – Gesellschaftsbild einer Gegenwart, die eher Ruhe als Drama will: „Alles ist gut, so wie es ist“. Das extravagante Gehabe in einer fernen Welt der Dandys und Adligen des Oscar Wilde bleibt da also doch hinter dem Vorhang. Eine schöne Inszenierung, deren Abgründe etwas dosiert bleiben.