Flüchtlingsmonologe. Man hört sie jetzt allerorten in der deutschen Theaterlandschaft. Das empathische wie diskursive Flüchtlingsdrama mit gespielten Erlebnissen und Situationen hat noch keiner geschrieben. Das macht auch Peter Schanz nicht, der für sein Stück „Fluchtpunkt Celle“ am Schlosstheater Celle Migranten verschiedener Generationen interviewt hat. Von den Vertriebenen aus dem ehemaligen deutschen Osten über die türkischen, eigentlich kurdischen, inzwischen als jesidisch erkannten Verfolgten der Jahrtausendwende bis zu den per Schleuser und Schlepper eingewanderten Kriegsflüchtlingen aus Syrien und dem Irak. Sie sind Basis der Monologe und Spielszenen von Schanz‘ sehr stimmungsvoller und erstaunlich meinungsvielfältiger Collage. Das hebt seine Vorlage wohltuend von den einseitigen Lamenti anderer „Stückentwicklungen“ ab.
Wie sich die Monologe der Betroffenen über die Jahrzehnte gleichen! Die gleiche ausweglose Situation in den Herkunftsländern: zusammengebrochene Zivilisation, kein Wasser, kein Strom, keine Nahrung, willkürliche Übergriffe der jeweils neuen Machthaber von Vergewaltigung bis Mord. Der gleiche traumatische Fluchthergang: erpresst, erniedrigt, bestohlen, um das blanke Leben zu retten, unter menschenunwürdigen Umständen in unzulänglichen Verkehrsmitteln, eingepfercht zwischen Sterbenden und Toten. Die gleiche ablehnende Stimmung im Aufnahmeland: behandelt als Fremde, die den eigenen Wohlstand und die tradierte Gemeinschaft bedrohen, und verdächtigt als Schmarotzer. Das traf den pommerschen Gutsbesitzer wie heute die syrische Lehrerin aus Aleppo. Nicht verschwiegen wird aber auch: Es gibt Menschen in Deutschland, die sich für die Integration der Flüchtlinge engagieren, es gibt gut organisierte staatliche Programme, und es gibt die ausgesprochene Dankbarkeit der Migranten für die Leistungen des Gastlandes. Der Kurdin für die Schwimmkurse des Landkreises Celle, die sie aus dem Familienalltag holen. Der Jesidin, die ihre Kinder zu Demokraten erzieht, Sohn und Tochter gleich behandelt, damit das alte Paschatum ihres Kulturkreises endet. Und die größten Celler Baufirmen und Dienstleister sind in jesidischer Hand. Fleißig seien sie, betonen denn auch die beiden Celler Arbeiter beim Feierabendbier. Dann wieder gibt es Zwischenrufe aus dem Internet, der Verdacht, Flüchtlinge brächten sich selbst Narben bei, um die Aussagen für ihren Asylantrag zu belegen. Das entlarvt sich in direkter Konfrontation mit den Fluchtgeschichten selbst als zynisch. Aber wenn das perfekt Deutsch sprechende jesidische Mädchen der zweiten Generation die kapitalistischen Interessen offenlegt, die eine gleichberechtigte Entwicklung der kriegszerrütteten Staaten des Nahen Ostens behindern, ahnt man auch, wie lange es noch bis zu einer positiven Wende dort brauchen wird.