Foto: Hanna Jürgens als Sunny mit Band. © Tobias Kromke
Text:Joachim Lange, am 8. Juni 2025
Das Landestheater Eisenach bringt „Solo Sunny” nach dem gleichnamigen DDR-Kultfilm auf die Bühne und folgt den Intentionen des Vorbildes. Klaus Kusenbergs Inszenierung bekennt sich zur Melancholie der Erinnerung.
„Solo Sunny“ ist einer der mehr als nur vorzeigbaren Hinterlassenschaften der DEFA. Ein DDR-Kultfilm, der überlebt hat. Er kam 1980 auf die Leinwände eines Landes, das zehn Jahre später schon nicht mehr existieren sollte.
Jetzt hat das Landestheater Eisenach mit Thüringer Selbstbewusstsein mit dem Schauspielensemble etwas dazu (bzw. danach) geliefert, was wie ein Mittelding zwischen Schauspiel und Musical daherkommt. Das ist auch nach 45 Jahren nicht unbedingt ein großes Risiko, hat aber deutlichen Einfluss auf die Altersstruktur des Publikums. Für den Filmerfolg von damals waren viele verantwortlich. Vor und hinter der Kamera. Konrad Wolf und Wolfgang Kohlhaase waren Meister ihres Regie- und Drehbuchfaches.
Gelebtes Außenseitertum der Sunny
Genauso wie der komponierende Hansdampf in allen Filmgassen Günther Fischer. Da hatten sich die Besten zusammengefunden und mit Renate Krössner (der Regine Dobberschütz ihre Singstimme lieh) auch noch eine Heldin parat, die wie gemacht für dieses ungewöhnliche Porträt einer Frau war, die nun so gar nicht in den damals deklarierten Menschenbildoptimismus passen sollte. Sie verfügt zwar über ein gerüttelt Maß an Selbstbewusstsein, stolpert aber dennoch von einer Krise in die nächste. Gelebtes Außenseitertum als Preis für die kleine Freiheit, die möglich war. Diese Ingrid Sommer will nicht Näherin bleiben, sondern als Sunny Künstlerin, sprich Sängerin sein. Und da gebraucht werden. So tingelt sie mit einer Liveband (den Tornados) durchs Land.
Hanna Jürgens singt und spielt jetzt diese Sunny mit Verve, gleichwohl wirkt sie so stark, als könnte sie sofort auf den bürgerlichen Nachwende-Erfolgspfad – in welchem Fach auch immer – abbiegen. Im Musical ist sie Teil einer ziemlich mittelmäßig müden Show. Ohne wirklichen Erfolg. Mit ihrem Liebesleben ist es nicht anders. Den braven aber langweiligen Hubert (Tony Marossek), der beharrlich hinter ihr her ist, den will sie nicht. Und Ralph (Noah Alexander Wolf), der auf der Gitarre klimpert und mit philosophischen Weisheiten nur so um sich wirft, mit dem sie etwas anfängt, der betrügt sie. Luca Estelle Horvath ist neben ihrer Rolle als Sunnys Showpartnerin und als Rezeptionistin auch mal die „Frau in Ralphs Bett“. Geradezu zwangsläufig kollidiert Sunny mit ihrer Vermieterin Frau Pfeiffer (Nele Swanton hat auch mit dem Wischmob in der Hand ihren gut platzierten Songauftritt). Sunny macht nach einem Selbstmordversuch auch flüchtig Bekanntschaft mit einer Psychiaterin. Lisa Störr ist daneben auch noch Sunnys Nachfolgerin, nach dem sie aus der Show geflogen war.
Wer die Brisanz versteht
Bei der Eisenacher Solo Sunny Version, die mit der Fassung des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin zumindest den Intentionen des Filmvorbildes zu folgen versucht, ist ein Publikum mit Ostsozialisierung eindeutig im Vorteil. Allein schon, um die Brisanz zu verstehen, die dahinter steckte, wenn sich im Saal bei einem Provinzpublikum mal niemand über einen mäßigen, aber „verdächtigen“ Witz zu lachen traute, den der Show-Master Benno Bohne (es ist hinreißend, wie sich Christoph Rabeneck in dieser Rolle zum Affen macht) schon überall gemacht hatte: „Was passiert, wenn der Fernsehturm umfällt? Dann kann man mit dem Fahrstuhl in den Westen fahren“. In Suhl lachte da keiner….
Wenn in Eisenach am Ende der schnell vergehenden, knapp zwei Stunden der Hit „Über sieben Brücken musst du gehen“ Interpreten und Publikum endgültig in einem Wir-Gefühl vereint, dann wissen hier alle, dass dieser Titel aus dem Jahre 1978 von der DDR-Band Karat und nicht von Peter Maffay stammt, der freilich letztlich für dessen gesamtdeutsche Verbreitung sorgte.
Melancholie der Erinnerung
Nachdem Lydia Bunk ausgeschieden war, hat Klaus Kusenberg dafür gesorgt, dass eine Inszenierung fertig gestellt wurde, die sich mit leichter Hand zur Melancholie der Erinnerung an ein Lebensgefühl bekennt, das nicht zuletzt in Sunnys berühmt gewordenen Solo „Blue – the dawn is growing blue“ seine Melodie fand. In Eisenach übernehmen Daniel Schröder (Bass), Lars Köppel (Saxofon und Keyboard) und Steffen Hellmann (Schlagzeug) unter Leitung von Benjamin Trostorf an der Gitarre live den musikalischen Part im Hintergrund der Bühne und steuern diverse DDR-Hits bei.
Was an Räumen gebraucht wird, hat Ausstatter Norbert Bellen links und rechts neben der Spielfläche platziert. Die diversen Betten von Sunny und Ralph, auch Künstlergarderobe, Bar oder Polizeirevier sind knapp angedeutet, aber sofort erkennbar. Die Kostüme haben den peinlichen Charme der Erinnerung, den jeder Blick in ein Fotoalbum der 70er und 80er Jahre halt so mit sich bringt. Der Fußboden in der Mitte der Bühne erinnert an diverse Wandbildkunst im Osten des Landes aus jener Zeit. An die Balance zwischen den Mikroports der Protagonisten und der Musik müssen sie nochmal ran. Aber das wird sich in der Vorstellungsserie, sicher noch nachbessern lassen.