Christine stirbt am 6. Februar 2017. Sie, immer wieder alkoholsüchtig, war inzwischen seit neun Monate trocken. Nun aber fällt sie bei der Suche nach einer Flasche Wodka im Supermarkt tot um: ein Blutgerinnsel, genauer: eine Subarachnoidalblutung im Gehirn. Sie steht dabei neben sich, beobachtet sich, kann die Umtauschwerte des englischen Pfunds in andere Währungen auswendig daher sagen. Aber mehr noch beobachtet sie im Zwischen von Leben und Tod von außen das Treiben ihres Mannes und ihrer drei Kinder. Sie besucht gar die jüngste, Ashe, die vor ein paar Monaten einen Selbstmordversuch unternommen hat. Mit „Am Ende Licht“ hat Simon Stephens das Sozio-Psychogram einer kaputten Familie entworfen, die in verschiedenen Orten in Nordengland lebt und das Elmar Goerden am Stuttgarter Schauspiel wunderbar umsetzt. Wie immer entfaltet er seine Geschichten in einem engen regionalen Rahmen, aber die Handlung weist wieder weit über den lokalen Bezug hinaus – als eine Geschichte über eine Mittelschichtsfamilie nahe am sozialen Absturz, in der jede und jeder nur an sich selbst denkt.
Stephens liefert wieder wunderbares Schauspielerfutter: Sylvana Krappatsch als Christine spielt das Staunen darüber aus, was ihr da widerfährt, sehr souverän dabei in ihrem türkisfarbenen Mantel (Kostüme: Lydia Kirchleitner). Vom Bühnenrand her beobachtet sie, was ihre Familie so treibt, kurz nach ihrem Tod. Ihr dickleibiger Mann Bernard, von Klaus Rodewald jovial vorgeführt, hat sich gerade mit Michaela (Marietta Meguid) und Emma (Therese Dörr) in einem Hotel mit Himmelbett zu einem Liebesspiel zu Dritt verabredet. Die älteste Tochter und Lehrerin Jess, von Katharina Hauter mit vielen Facetten von zarter Liebesbedürftigkeit bis hin zu herber Ansage dargestellt, verliebt sich nach einem One-Night-Stand in Michael (Sebastian Röhrle). Der Sohn Steven, Jurastudent im zweiten Semester, ist in Andy (Marco Massafra) verknallt. Jannik Mühlenweg zeigt ihn in seiner ganzen verqueren Unsicherheit. Und Nina Siewert als die jüngste Tochter Ashe, die sich langsam damit arrangiert, ihr Kind alleine aufzuziehen und die eine besonders enge Beziehung zu ihrer Mutter hatte, spielt ihre Empörung gegenüber dem Vater ihres Kindes, Joe (Peer Oscar Musinowski), groß aus.