Foto: Bei den Vorbereitungen des Papstbesuchs brodelt es unter der Oberfläche. © Contra-Kreis-Theater
Text:Guido Krawinkel, am 24. Oktober 2025
René Heinersdorff inszeniert am Contra-Kreis-Theater in Bonn Dietmar Jacobs und Alistair Beatons Komödie „Kardinalfehler“. Darin wird die katholische Kirche ausgiebig zur Rede gestellt. Theaterleiter Horst Johanning nutzt die Premiere, um eine überraschende Veränderung beim Contra-Kreis-Theater anzukündigen. Spätestens 2030 muss das Theater in eine neue Spielstätte umziehen.
Das Thema ist heikel und hochaktuell: Die Zustände innerhalb der katholischen Kirche geben derzeit immer wieder Anlass zu Kritik. Die Missbrauchsskandale etwa und die Versuche der Vertuschung. Die Behandlung der Opfer, die man abwimmelt, mit Almosen abspeist und am langen Arm verhungern lässt. Täterschutz statt Opferschutz lautet da oft genug die offizielle Marschrichtung, denn das Wohl der Kirche geht oft genug vor dem der Opfer. Das jedenfalls ist der Eindruck, der immer wieder entsteht, wenn man das Verhalten der Kirche kritisch durchleuchtet. Aber taugt dieses Drama auch als Stoff für eine waschechte Komödie? Die Autoren Alistair Beaton und Dietmar Jacobs haben es versucht und mit „Kardinalfehler“ ein Stück geschrieben, das dieses brisante Thema aufgreift.
Bunte Mischung
Im Bonner Contra-Kreis-Theater, einer der ersten Adressen für anspruchsvolles Boulevardtheater, hatte das Stück in der Inszenierung von René Heinersdorff Premiere. Das reduzierte Bühnenbild deutet den kirchlichen Kontext mit drei gotischen Spitzbögen an, Story und Protagonisten mussten sich die Autoren nur in der Realität abschauen. Da sind der dynamische Bischof (Till Brinkmann ), der sich als energischer Aufklärer profilieren will, der knorrige Generalvikar (Klaus Zmorek), ein Zyniker und Machtmensch vor dem Herrn, und der schwule Seminarist (Victor Maria Diderich), der für die Kirche brennt, aber bitter enttäuscht wird. Komplettiert wird die Besetzung durch die resolute Haushälterin (Ursula Michelis), eine echte rheinische Schwadschnüss mit dem Herz am rechten Fleck, den smarten Papstsekretär (Armin Riahi), der den eloquenten Strippenzieher gibt, und eine junge Frau namens Emma (Bianca Spiegel).
Gewitztes Ensemble
Emma ist der Schlüssel zum Stück. Sie personifiziert den Kardinalfehler, bringt alles ins Wanken und sorgt für die ernsten Untertöne des Abends. Insofern hat Bianca Spiegel den vielleicht undankbarsten Part. Sie kann nicht mal eben einen Gag nach dem anderen raushauen, im Gegenteil. Wenn sie die Bühne betritt, wird es zumeist ernst, manches Mal auch sehr still. Diese Spannung wird von Bianca Spiegel schön gehalten. Damit sorgt sie für nicht weniger Eindruck als etwa Till Brinkmann und Klaus Zmorek, deren Charaktere sich so gut wie ein altes Ehepaar ergänzen. Beide liefern sich herrliche Wortgefechte, die vor Anspielungen, Gags und Wortwitz nur so strotzen. Da kriegen die Kirche und vor allem bestimmte lokale Repräsentanten ordentlich ihr Fett weg.

Emma (Bianca Spiegel) unterhält sich mit ihrem Bischof (Till Brinkmann). Foto: Contra-Kreis-Theater
Auch der Papstsekretär, die Haushälterin und der Seminarist sind ebenso typische wie bestens besetzte Charaktere. Insgesamt gelingt dem Stück so etwas wie die Quadratur des Kreises: Das Publikum wird bestens unterhalten. Es gibt viel zu lachen und noch mehr zu schmunzeln. Aber zuweilen wird es auch sehr ernst und kirchenkritisch. Überraschend ist das Ende. Dann hat Victor Maria Diderich als Seminarist seine große Stunde. Aber hat er die wirklich? Oder bleibt doch alles beim Alten? Fazit: ein Abend, der bestens unterhält und auch zum Nachdenken anregt.
Das Theater muss umziehen
Nichts beim Alten wird in absehbarer Zeit allerdings im Bonner Contra-Kreis-Theater bleiben, denn das wird spätestens bis 2030 umziehen müssen. Im Mai dieses Jahres hatte man noch das 75-jährige Jubiläum gefeiert. Kurze Zeit später flatterte Theaterleiter Horst Johanning die Kündigung des Mietvertrages ins Haus. Damit hat man Erfahrung. 1966 zog man in die jetzigen Räume unterhalb der Bonner Universität, nachdem die alte Spielstätte dem Bonner Stadthaus, einem schnöden Verwaltungshochhaus, weichen musste. Nun muss das Theater seinem Vermieter weichen, der Universität, die innerhalb der nächsten zehn Jahre generalsaniert werden soll. Baubedingt führt das dazu, dass der zweite Fluchtweg wegfällt und das Theater nicht weiter betrieben werden darf.
Freundschaftliches Auseinandergehen
„Die Kündigung ist sehr lieb geschrieben, mit aller Anerkennung, die das Haus und die Spielpläne auch für die Uni mit sich gebracht haben. Das Verhältnis zur Uni war freundschaftlich“, sagt Theaterleiter Horst Johanning. Die Begründung kann er sogar nachvollziehen: „Da haben wir, obwohl ich mit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb viel überlegt habe, noch keine Alternative gefunden.“ Er hofft, dass sich in Bonn eine passende Spielstätte finden wird. „Da muss man mal gucken. Die Stadt hat viele leerstehende Gebäude. Der Bund hat noch aus der Zeit der Bundeshauptstadt sehr viele Liegenschaften, die noch nicht wieder weiterverwertet sind. Die Uni selber hat auch noch einiges. Aber noch kam ich nicht an die richtigen Hebel.“ Das hängt auch damit zusammen, dass sich die Stadtspitze nach der Kommunalwahl mit einem damit einhergehenden Wechsel an der Spitze gerade neu sortiert.
Wie eine neue Spielstätte aussehen könnte, ob sie auch eine vergleichbare Nähe des Publikums zur Bühne wie jetzt bieten wird, das kann Johanning deshalb noch nicht sagen: „Es muss ja nicht wieder so aussehen wie hier. Jede mögliche Räumlichkeit schafft ja wieder Gedanken für ein anderes Konstrukt. Für ihn gilt es jetzt, sich umzuschauen und die richtigen Hebel zu finden. Insgesamt aber ist er zuversichtlich, dass das gelingen wird: „Ich bin nachdenklich, aber nicht verzweifelt.“