Direkt scheint das Personal dem Bundeskanzleramt unterstellt, ist per Videokonferenz mit Vertretern der einflussreichsten westlichen Staaten verbunden und skypt mit der eigenen Familie, um den Kontakt zur zu rettenden Welt nicht zu verlieren. Aber wir sind in keiner Hightechkaserne des modernen Überwachungsstaates. Die Spielinseln mit ihren altmodischen Büroinstallationen kommen betont schäbig daher, was sowohl die technische Ausstattung wie die Möblierung betrifft. Auf Bildschirmen pulsieren Diagramme, TV-Nachrichten flimmern und Satellitenüberwachungsbilder flackern. Dramatisch dreht sich alles – wie immer beim handwerklich guten Krimiautor Mouawad – um die Enthüllung der Wahrheit. Peu à peu werden Indizien zu Fährten zusammengepuzzelt. Die versehrte Gegenwart wird ab und an mit Mythen der Antike kurzgeschlossen – und reichlich Spionagethriller-Zinnober aufgefahren: Entschlüsseln von abgehörten Telefonaten, Codes, Passwörtern, Anagrammen, Algorithmen. Tintorettos „Verkündigung an Maria“ (1583/87) bekommt eine prominente Rolle. Ukrainische Gedichte und höhere Mathematik eröffnen koalierend Abgründe in einem Laptop. Jederzeit könnte ein Nachfahre Jesu oder auch Luzifer persönlich das Dunkel erleuchten. Aber Mouawad holt einen Computernerd als Superdetektiv ins Stück. Und setzt auf Tempo mit filmisch collagierten Szenen. Aber der Autor hat die Bedrohung im Gegenschnitt vergessen: Bösewichte, panische Politiker, von Medien hysterisierte Bevölkerung etc. Trotzdem bleibt es spannend, weil das Ensemble höchst überzeugend ihre beschleunigende oder verzögernde, verwirrende oder emotionalisierende Funktion bei der Tätersuche erfüllt und sich dabei die Typologie ihrer Figuren eindrücklich erspielt – auch wenn sie nur Marionetten des Plots sind. Der auf eine wirklich gute Pointe hinausläuft: die Erweckung einer neuen Jugendbewegung, geboren in all den aktuellen Kriegen, aufgewachsen im Schatten ihrer Leichenberge.
Ein globales Netzwerk werdender Anarchisten habe sich so gebildet, erfahren wir, und versuche Weltschmerz in der Poesie des Terrors zu formulieren. Performancekunst eben – nur mit mörderischen Mitteln. Per Selbstmordanschlag in Schutt und Asche gelegte Musentempel in Padua, New York, Paris London, Sankt Petersbug, Tokio, Hamburg und Montreal sollen als „Topografie der massakrierten Jugend“ die symbolische Rache an den Ländern darstellen, die im 1. und 2. Weltkrieg „das Blut der Söhne eines Jahrhunderts vergossen“ haben. So arg pathetisch – steht das im Stücktext. Reißt aber nicht mit. Lediglich die Spannung des Lösens der Rätsel funktioniert. Da der Text gar nicht vorsieht, diese selbst theatral zu verhandeln. Alles wird nur ausführlich in einer Art Powerpointvortrag final erläutert und ist damit erledigt – kann nicht mehr anregend in den Köpfen der Zuschauer explodieren, wie es sich Mouawad für seine Geschichten einmal gewünscht hatte.