Im schottischen Landhaus des ersten Akts, dessen Interieur David Walker reich ausgestattet und ziemlich düster auf die Karlsruher Bühne gebracht hat, ereignen sich bei Hochzeitsvorbereitungen phantastische Merkwürdigkeiten und festliche Höhepunkte: Da steigt Sylphide, die eben noch hinreißend zart den träumenden James umtanzt und sich in seinem Großvatersessel unter einem Tuch versteckt, durch den großen Kaminschornstein in die Lüfte. Madge zelebriert mit krumm gebeugtem Körper ihren unnachahmlich schaukelnden und hinkenden, von einem Stock gestützten Hexen-Walk. Und dann der „Reel“, der großartig auf der Bühne ausgebreitete schottische Volkstanz mit allen Solisten und dem gesamten Ensemble. Männergruppen in jagdlichen Kilts und ländlich bunt gekleidete Mädchen wogen hin und her, bilden faszinierende Reigen und eine kaleidoskopartige Vielfalt von Tanzformationen aus – getoppt von Darbietungen mehrerer Kinderpaare und einer großartig tanzenden kleinen Solistin (der Karlsruher Ballettschule Lagunille&Reijerink): Da bricht im Publikum grenzenloser Jubel aus.
Im zweiten (weißen) Akt schlägt (nicht nur im Sinne der tragischen Handlung) die Stunde der Solisten. Admill Kuyler wächst im wilden pantomischen Tanzspiel am Hexenkessel über sich hinaus. Harriet Mills und ihre Sylphiden-Freundinnen sind in ihren zartgrünen Kleidchen eine Elfen-Schar, deren schwerelos fein ziselierte Tanzfigurationen nicht mehr von dieser Welt zu sein scheinen. Und Zhi Le Xus James ist in seiner solistischen Präsentation an geschmeidiger Eleganz und mit seinen geradezu widerstandslos vorgetragenen Schwebesprüngen kaum noch zu übertreffen.
Freilich, was da in Karlsruhe mit dieser preisgekrönten, von der Badischen Staatskapelle mit Steven Moore am Dirigentenpult musikalisch kongenial untermalten Choreographie gezeigt wird, ist auch musealer Abglanz einer historisch gewordenen Ära des Balletts.