Viktor Ullmann notierte seinen „Kaiser von Atlantis“ in Theresienstadt 1944 auf den Rückseiten von Deportationslisten. Er komponierte die Oper für in diesem Lager inhaftierte Musiker und Sänger. Zu einer Aufführung kam es, aus bis heute nicht vollständig geklärten Gründen allerdings nicht. Bevor er selber nach Auschwitz ins Gas geschickt wurde, konnte Ullmann sein Werk zwei Mithäftlingen anvertrauen. So überlebte diese Musik. Aufgeführt wurde sie, wie auch die anderen Kompositionen des in den 20er und 30erJahren vornehmlich in Prag und Zürich sehr erfolgreich wirkenden Ullmann, lange nirgendwo. Erst 1975 wurde der „Kaiser von Atlantis“ in Amsterdam uraufgeführt. Wieder zehn Jahre später war die deutsche Erstaufführung in Stuttgart. Seitdem hat sich die einstündige Oper als kleiner erratischer Block am Repertoirerand etabliert.
Movens der Handlung ist der Erlass des Kaisers Overall, dass ab sofort jeder gegen jeden Krieg führen müsse. Wer denkt da nicht sofort an Goebbels‘ Sportpalastrede? Der hochintelligente, sozusagen episch verfremdet symbolistische Text von Peter Kien und Ullmanns Musik bersten geradezu vor Anspielungen und Assoziationsangeboten dieser Art. Rainer Mühlbach macht das am Pult mit den 14 Solisten des Gürzenich-Orchesters (unter anderem an Saxophon, Banjo und Harmonium) begeisternd hörbar. Immer wieder stechen die Zitate heraus, verweisen auf die Zeitoper der 20erJahre, hier auf Mahler, da wird ein Kinderlied ironisiert und instrumentalisiert („Schlaf Kindlein schlaf. Ich bin ein Epitaph. Dein Vater ging im Krieg zugrund…“), der Tod singt Blues und immer wieder drängt ein Motiv aus Josef Suks „Asrael – Symphonie“ in den Mittelpunkt, das ein Symbol des tschechischen Widerstandes gegen die Nationalsozialisten war. Und im Schlussquartett wird Bachs „Ein feste Burg“ – Choral travestiert, etwas, was nicht nur die Nazis immer wieder zu Repräsentationszwecken taten. Bei Ullmann wird das zum abgrundtief traurigen ironischen Akzent. Dazu blendet die Kölner Aufführung auch die andere Seite dieser Musik nicht aus. Der Schönberg-Schüler Ullmann ist kein Jünger der Zwölftonmusik, aber er experimentiert viel mit atonaler Musik, setzt bereits behutsam Klangflächen ein. Fast möchte man von Clusterformaten sprechen. Und all das kann man hören – fein abgestuft, transparent, aber auch mit geballter Kraft!