Szene mit Hagen Löwe als Freitag und Christian Wittmann als Robinson

Der projektierte Siegerkranz

Daniel Defoe: Robinson Crusoe

Theater:Theater an der Parkaue, Premiere:27.04.2014Regie:Harriet Maria Meining/Peter Meining

Kritik zu Daniel Defoe „Robinson Crusoe“ am Theater an der Parkaue, Berlin

h3. Koproduktion von norton.commander.productions mit dem Theater an der Parkaue, Berlin

Robinson und Freitag sind immer noch auf Welttournee. Durch ihre gemeinsame Inselerfahrung aneinander gekettet, tingeln sie seit über 300 Jahren um den Erdball und erfreuen im wechselnden Look der Zeit das Publikum mit ihrer Abenteurergeschichte. Mit der 2014er Edition in der Regie von Harriet Maria und Peter Meining machen die beiden Stars nun Station im Berliner Theater an der Parkaue, packen die Devotionalien des Inseltrips in sortierter und katalogisierter Ordnung aus und steuern sich zwischen Erzähltheater und Lecture zu den Beats von Nikolaus Woernle durch die Robinsonade.

Robinson 2014 ist ein Macher aus der Not heraus, damit vielleicht ein Urahn und Vorfahr der heutigen Hipster-Generation, die da gerade so’n Projekt am laufen hat, der intellektuellen und kulturellen Elite, die sich von Werkvertrag zu Werkvertrag, von Antrag zu Antrag kämpft, oder einfach der fröhlichen Baumarktkunden. Jedenfalls ist er der Beweis dafür, dass man aus wenig viel machen kann, dass auch ohne große handwerkliche Fähigkeiten Tisch, Stuhl und Spaten in greifbarer Nähe sind, dass letztlich alles da ist, man nur anpacken muss, um sich sein kleines Inselreich zu schaffen. So haben die beiden Weltreisenden die Insel ihrer Zusammenkunft auch en miniature auf einer tischtennisplattenblauen Wasserfläche nachgebaut und zoomen sich auf der Suche nach den Stationen der Geschichte mit HD-Digicams durchs Dickicht, laufen durch Palisaden und schippern aufs Meer, fangen Vögel und Fische, zähmen Ziegen (und später Menschen). Dabei scheinen sie allerdings noch im Ausprobier-Modus zu sein, was man alles mit den modernen Ersatzaugen machen kann. Zum Glück hatte der Gestrandete damals auch eine Ladung Digitalkameras dabei und führte Video-Schiffsbruchtagebuch vor der untergehenden, roten Sonne. Mehr Authentizität geht nun wirklich nicht.

Hagen Löwe als Freitag und Christian Wittmann als Robinson zitieren sich mit großer spielerischer Kraft und raschen Schrittes mit imaginären Touchscreens durch die Hauptepisoden aus Daniel Defoes Roman um den Karibik-Gestrandete am Platz an der Sonne, der fast schon unbeabsichtigt zum Träger der Fackel der Zivilisation und später zum Kolonialherren wird – wenn auch heute weitestgehend ohne göttliche, dafür mit väterlicher Erleuchtung. Gerade in der ersten Hälfte dieser Robinson-Variante gelingt gerade ohne Abenteuerzauber dieser gebrochen-ironische Transfer: Das Projekt als Lebenserhaltungsmaßnahme eines aufs Elementarste zurückgeworfenen Lebens.

Robinson im Jahre X nach Bühnenwatch und Kritischer Weißenforschung kann aber natürlich nicht ohne Kommentar zum Spätimperialismus auskommen – und der ist dann doch etwas sehr verkürzt mitabgehandelt und hätte mindestens genau soviel Fokus und ausdifferenzierte Schärfung verdient wie das Projektleben. Nach 28 Jahren landet im letzten Drittel auf der Insel schließlich Freitag, der im Jahr 2014 im Whitefacing-Look auftritt und die Machtverhältnisse der Welt nicht unhinterfragt stehen lassen will. Hilft ihm aber kaum: Einmal die Rolle, immer die Rolle, er hat sie schließlich die letzten 300 Jahre ganz gut gespielt. So fährt schließlich auch Robinson auf dem Sonnendeck des Lebens zurück in die Heimat, während Freitag in der dritten Klasse im Gestank der Küche dahin schmort. Da hat sich dann trotz politischer Korrektheit in High Definition in den letzten 300 Jahren nicht so viel geändert.