Kabinettstücke modernen Tanzes sind die wild ausschweifenden Szenen mit Bowies Exfrau Angela (Jura Wanga), die gleichsam aus ihren Yellowpress-Memoiren „Backstage Passes“ zitiert und auch von narzisstischen Selbstzweifel-Attacken ihres Mannes berichtet. Solistisch hinreißend tanzt Daniel Lenz, der im schwarzen Anzug als androgyn schlanker Bowie-“Jüngling“ zu „Tutti Frutti“ (von Little Richard) eckig-geschmeidig einen Wackelschieber abrockt. Zu „China Girl“ hängt Giulia Cenni als Bowie-Gespielin an zwei vom Bühnenhimmel herabfallenden roten Schals und zeigt eine akrobatisch verführerische Bewegungs-Show. Nicht zuletzt sind Kunstfigur „Ziggy Stardust“ (Martina De Dominicis) und „Iggy Pop“ (Edoardo Novelli) fürs gesunde Kranksein auf Bowies Lebensparty zu Gast.
Der zweite, „The Lovers“ überschriebene Teil der Markowitz-Inszenierung ist Bowies Berliner Jahren in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts gewidmet, die er zusammen mit Musiker-Freund Brian Eno verbrachte und in denen seine „Heroes“-Trilogie entstanden ist. Als Musik verwendet die Choreographie sinnfälliger Weise die von der Badischen Philharmonie Pforzheim unter Kapellmeister Mino Marani sorgfältig interpretierte Symphony No.4 „Heroes“ von Philipp Glass, dem Meister der Minimal music. In ihr werden Bowies Gesang und Enos Elektronik-Sound von erstaunlich klangschönen Streicher-, Bläser und Vibraphon-Harmonien ersetzt, so dass man die Song-Melodie kaum noch erkennt. Dazu tanzen im Schatten der kulissenhaft auf der Bühne angedeuteten Berliner Mauer (Ausstattung Philipp Contag-Lada) mindestens ebenso schön „die Helden“ – Liebespaare, die sich auch angesichts des trennenden Monster-Bauwerks nicht von ihrer Sehnsucht abhalten lassen. Ihre Tänze sind mal verspielt kindlich, mal von problematischen Beziehungsmomenten bestimmt. Stets aber intensiv sinnlich und körperbetont, ohne anzügliche Bilder entstehen zu lassen.
Umrahmt werden die vielgestaltigen Pas de deux‘ von Ensembles, Tänzern, die in dunkelroten langen Kleidern an schwankenden Querstangen hängen, die ihrerseits von Stahlseilen gehalten werden. Zum furiosen Sinfonie-Finale werden die Akteure hochgezogen und fallen schlussendlich auf die Bühnenbretter herab. In Pforzheim gibt es also ein neues Ballett, das züngelt, glüht und funkelt. Mehr davon!