Der Roman vom Außenseiter auf Abruf kommt in 44 kurzen Kapiteln über viel Einzel-Personal und reichlich anonymer Menschenmasse zu seinen seufzenden Erkenntnissen. Unter der Hand der Berliner Regisseurin Wenke Hardt ist daraus eine literarisch stabilisierte Impro-Spielvorlage für drei sprungbereite Herren im Wechselrahmen geworden. Einerseits mittendrin im aktuellen Scanner-Trend einer Abtast-Dramatisierung aller Romane, die nicht bei „Eins-zwei-drei“ ins hinterste Buchregal gerutscht sind, aber in der konkreten Nürnberger Realisierung dann doch selbstsicher genug für einen mehr als ehrenvollen Interpretations-Randplatz im Bannkreis des großen Ödön von Horváth.
Die Schauspieler Gerd Beyer, Matthias Rott und Thomas Witte hechten lustvoll durchs Typen-Kabinett. Sie sind polternde Männer, hysterische Frauen und verstockte Kinder nach Bedarfslage, schalten per Blickwechsel von einer Figur zur andern, ballen sich im Dreierpack zur marschierenden Schülerkompanie oder zum schräggestellten Barhocker-Männerbund und finden aus dem Tonfall der grellen Karikatur jederzeit souverän zurück in die leise Nachdenklichkeit. Wo der Text in seinen Metaphern abdriftet und die stumpfe Gesichtslosigkeit der Gesellschaft zum „Zeitalter des Fischs“ erklärt wird, findet Regisseurin Wenke Hardt rechtzeitig komödiantische Notausgänge. Vor allem aber gelingt ihr mit der Spaltung der Lehrer-Persönlichkeit in zwei konkurrierende, gerne auch in Doppel-Conférence antretenden Figuren eine Barriere gegen die bedrohliche Allgemein-Melancholie. Statt der inneren Monologe zwischen den Aktionen, die im Roman geradezu therapeutische Dimensionen annehmen und auf der Bühne so gar nicht zu bewältigen sind, ist das hier ein latentes Zwiegespräch in Auseinandersetzung mit Zweifeln und Hoffnungen.
Was den Thriller-Anteil betrifft, dem damaligen Leser wie dem heutigen Zuschauer immer ein Garant für die wohligsten Schauer, lässt die Aufführung nichts zu wünschen übrig. Sie hält die Spurensicherung, erst die falsche und dann die mächtig psychopathisch aufgeladene, ganz spannend entspannt im Spielfeld. Der Junge von 1937, der da mit dem ausdruckslosen Lächeln eines Fischs über Leben und Tod triumphieren wollte, könnte ohne weiteres im nächsten „Tatort“ auftauchen. Und währenddessen könnte man ja den Roman nochmal lesen.