Foto: © Geoffroy Schied
Text:Tobias Hell, am 3. Mai 2025
Die Münchner Festival-Reihe „Ja, Mai“ feiert die Premiere „Das Jagdgewehr“ an der Bayerischen Staatsoper. Vor allem die Ausstattung der Bühne ist wirkungsvoll und gibt den unterschiedlichen Zeitebenen Tiefe, während Ulrike Schwab mit überwiegend statischer Konzertsituation inszeniert.
München liebt seine Festivals. Seien es nun die traditionsreichen Münchner Opernfestspiele, oder die jüngst wieder mit Rekordauslastung beendete Ballett Woche. Und auch die einst von Hans Werner Henze ins Leben gerufene Biennale oder das aDEvantgarde-Festival haben im Sektor der Zeitgenössischen Musik nach wie vor ihre kleine, aber treue Fangemeinde. Aus Sicht der Bayerischen Staatsoper scheint dies allerdings noch lange nicht genug.
Mit dem augenzwinkernd betitelten „Ja, Mai“ hat auch Intendant Serge Dorny bei seinem Amtsantritt eine Festival-Reihe etabliert, die sich von der Konkurrenz nicht nur durch die Zusammenführung unterschiedlicher Kunstgattungen abhebt, sondern mit einem erfreulich uneitlen Konzept daherkommt. Gerade weil es hier eben keineswegs nur primär um die nächste schlagzeilenträchtige Uraufführung geht, die dann meist wieder schnell in der Schublade verschwindet.
Festival der zweiten Chance
„Ja, Mai“ ist auch im Jahrgang 2025 quasi ein Festival der zweiten Chance, das neue Werke der jüngeren Vergangenheit auf den Prüfstand stellt und damit für eine künstlerisch Nachhaltigkeit sorgt. Neben Toshio Hosokawas „Matsukaze“ steht diesmal etwa die Deutsche Erstaufführung von Thomas Larchers erster Oper „Das Jagdgewehr“ im Fokus. Entstanden 2018 im Auftrag der Bregenzer Festspiele und nun für die Münchner Premiere um drei Madrigale von Claudio Monteverdi ergänzt, die das Publikum bereits vor Vorstellungsbeginn im Lichthof des Cuvilliés-Theaters einstimmen und die Handlung später an markanter Stelle kommentieren.

„Das Jagdgewehr“ feiert Premiere beim „Ja, Mai“ Festival in München. Foto: Geoffroy Schied
Ein durchaus passender Prolog für die Inszenierung von Ulrike Schwab. Den Anfang nimmt das Geschehen bei ihr nämlich auch drinnen im Saal zunächst in oratorienhaft statischer Konzertsituation. Mit Notenständern und perkussiven Instrumenten, die in den Händen der Züricher Singakademie immer wieder auf der Bühne sowie in den seitlichen Logen zum Einsatz kommen und so die Musik sichtbar werden lassen. Recht viel mehr passiert dann allerdings nicht in den folgenden zwei Stunden.
Rückblenden und wirkungsvolle Bühne
Schwab müht sich sichtbar mit der wortreichen, aber überwiegend in Rückblenden erzählten Geschichte, die von Librettistin Friederike Gösweiner aus der gleichnamigen Novelle von Yasushi Inoue destilliert wurde. Da wird von Mutter und Tochter schon mal eine religiös aufgeladene Pietà-Pose heraufbeschworen oder eine Sängerin kurz in den Handstand gejagt. Doch emotional abgeholt wird man nur selten, wenn die drei weiblichen Protagnistinnen über Einsamkeit, Verrat und gescheiterte Beziehungen reflektieren. Und so verlässt sich die Regisseurin vor allem auf ihre Ausstatterin Jule Saworksi, der es gelingt, den unterschiedlichen Zeitebenen zumindest optisch eine jeweils eigene Identität zu verleihen. Das Publikum blickt da in einen verspiegelten fünfseitigen Tunnel, dessen Segmente sich kaleidoskopartig verschieben lassen und so immer wieder für beeindruckende Bilder sorgen. Sei es durch subtile Beleuchtung von Lukas Kaschube, oder durch seitlich hereingeschobene zweidimensionale Kulissen, mit denen im futuristischen Ambiente der Maschinenzauber der Barockzeit augenzwinkernd zitiert wird.
Auch musikalisch prallen an diesem Abend Welten aufeinander. Denn der warme Ton der Monteverdi-Madrigale steht in scharfem Kontrast zur überaus sangbaren, gleichzeitig aber auch recht kühlen und kantigen Musik, in die Larcher das introspektive Geschehen verpackt. Doch zumindest darf man seine vielschichtige Partitur bei Francesco Angelico in besten Händen wissen. Der Dirigent arrangiert sich klug mit der keineswegs einfachen Akustik des kompakten Cuvilliés-Theaters, in dem gerade das Schlagwerk schon mal sehr präsent daherkommen kann.
Gesang voller Emotionen
Vor allem aber hat er ein Auge auf die jungen Sängerinnen und Sänger, die man aus Mitgliedern und Alumni des Opernstudios rekrutierte. Ein Quintett, das hier wirklich alles gibt und singend jene Emotionen liefert, die von der Regie weitgehend verweigert werden. Allen voran Xenia Puskarz Thomas, deren sonorer Mezzo ein reizvolles Gegengewicht zu den wild verzierten Höhenflügen ihrer Sopran-Kolleginnen Juliana Zara und Eirin Rognerud bildet. Und obwohl die Frauen-Figuren klar im Zentrum stehen, weiß sich auch Bariton Vitor Bispo ähnlich souverän zu behaupten, wie Dafydd Jones, der mit schlankem, instrumental geführtem Tenor überaus eloquent in die Rolle des Erzählers schlüpft. Fünf Stimmen, von denen man hoffentlich noch viel hören wird.