„Indication of Spring at the End of Time“ mit Clay AD bei den Berliner Tanztagen

Aus Sicht einer Blume

Clay AD: Indication of Spring at the End of Time

Theater:Sophiensäle, Premiere:15.01.2021 (UA)

Zu Beginn der für die Tanztage Berlin produzierten Online-Performance „Indication of Spring at the End of Time“ von Clay AD ist der Performer im Blumenkostüm in einem weißen Raum zu sehen, dessen Boden von einer dunkelgrünen Plane bedeckt ist. Er liest einen Text, der wie ein Märchen mit den Worten „Once upon a time“ beginnt. Es ist die Geschichte einer Veränderung, erzählt aus der Perspektive einer Narzisse. Anders als wir das von traditionellen Märchen kennen, spielt die Geschichte nicht in einer fernen Vergangenheit, sondern in der nahen Zukunft: Sie beginnt im Jahr 2026 und wird erzählt durch Bewegung, mit Filmsequenzen, Musik und Sounds (von Minq) und einem gelesenen Text (verfasst von Clay AD).

Es ist die Geschichte eines großen Gartens in einer Gegend, wo die Stadt endet und das Land beginnt, einem Industriegebiet, umgeben von Lagerhäusern und leerstehenden Gebäuden, aber auch Straßen mit Wohnhäusern. Die Blume erzählt von ihrem Leben in diesem Garten und ihren Begegnungen mit den Menschen. Der Lebensraum der Blume und all der anderen Pflanzen des Gartens wird bedroht vom Plan des Baus einer Waffenfabrik. Die Blume wird Zeugin von Spekulationen über den Einsatz der Waffen: Werden sie zur Erforschung und zur Kolonisation des Mars und anderer Planeten eingesetzt oder sollen Kriege hier auf der Erde fortgesetzt werden? Oder werden die Waffen gar gegen Menschen in der Stadt gerichtet?

Die Bewohner setzen sich gemeinsam gegen den Bau der Fabrik ein, besetzen den Garten, verteidigen mit ihrer physischen Anwesenheit dieses Stück Natur und sind schließlich erfolgreich. Die Narzisse beschreibt, wie sich durch den gemeinsamen Kampf um den Garten Menschen „finden“. Viele bleiben, oder kommen immer wieder, um sich um den Garten zu kümmern, ihn zu bepflanzen und zu bewirtschaften und schließlich auch einander zu umsorgen. Als der Winter kommt, verblüht die Blume und erzählt, dass die Menschen diese Jahreszeit kaum noch Winter, sondern „die kürzeren Tage“ nennen. Sie erzählt von der Verschiebung der Jahreszeiten, den Bäumen, die länger grün sind und auch während der „kürzeren Tage“ plötzlich blühen. Auch die Zeiten, zu denen die Vögel nach Süden ziehen, verschieben sich und die Anzahl der Schmetterlinge verringert sich. Die Narzisse schickt ihre Energie jetzt in die Erde, um im nächsten Jahr wieder zu blühen.

Clay AD bewegt sich tanzend durch den Raum, auf und unter der Plane, die mal den Garten symbolisiert und mal wie ein großes, formloses Tier wirkt. Gleichzeitig dient sie als Projektionsfläche für Filmsequenzen, die den Boden des Gartens zeigen, die Erde, in die wir perspektivisch fast hineinkriechen. Später sehen wir vertrocknete Pflanzen des letzten Sommers. Dabei ist menschlicher Atem zu hören. Oder atmen die Pflanzen, die in der Geschichte in Gefahr sind? Elektronische Klänge begleiten diese Bilder. Als eine Filmsequenz Menschen auf Stühlen im Garten sitzend zeigt, verändert sich der Charakter der Musik und wechselt in eine fast aggressive Stimmung. Aber auch unterschiedlichen Charakteren der Pflanzen begegnen wir, sehen etwa die Blätter von Brennnesseln in Großaufnahme, eine Pflanze, der wir uns nicht gerne nähern. Wir sehen die Spiegelung von Bäumen in einem Gewässer, wo sich auch ein Schornstein, aus dem roter Qualm aufsteigt, spiegelt. Die Bedrohung der Fabriken bleibt allgegenwärtig. Die Performance endet mit der Filmaufnahme vom Anfang: der Boden des Gartens, die Erde als Ort, zu dem die Blume ihre Energie schließlich schickt.

Die in der Zukunft spielende Geschichte erzählt von der Bedrohung unserer Natur und Umwelt, die 2021 längst akut ist. Die Verbindung von gelesenem Text und gefilmten Bildern zusammen mit atmosphärischen Klängen und Instrumentalstücken nimmt uns Zuschauer*innen mit in diese bedrohte Welt der Natur. Die Wahl eines sehr plakativen, ja kindlichen Blumenkostüms ist ein eher störender Moment, vermutlich um bewusst eine Irritation hervorzurufen, oder um uns unseren Blick auf Pflanzen und vor allem Blumen in ihrer dekorativen Bedeutung zu bewusst zu machen. So ist auch Clay ADs Bewegungssprache beinahe kindlich mit ungestümen Drehungen und Radschlägen. Der Gedanke liegt nahe, dass wir uns mehr um diese Lebewesen kümmern sollten, dass wir ihre Zerbrechlichkeit und Empfindlichkeit erkennen und sie beschützen müssen.