Uraufführung am tjg Dresden: "Auf der Elbe schwimmt ein Krokodil"

Annchen, Dannchen, Dittchen, Dattchen

Mitten auf der Elbe schwimmt ein Krokodil

Theater:Theater Junge Generation, Premiere:25.01.2014 (UA)Regie:Irina Pauls

„Rirarutscht, wir fahren mit der Kutsch, …“ wiederholen drei Männer und eine Frau immer wieder und nun doch ein bisschen atemlos am Ende der Vorstellung, während sie dabei rhythmisch pointierte und nicht ganz unkomplizierte Bewegungsabläufe absolvieren. Dass die Schauspieler nach einer herrlich verspielten knappen Stunde „Klassische Kinderreime in Bewegung“, wie das Stück im Untertitel heißt, ein wenig atemlos sind, ist nicht verwunderlich. Denn was sie bis dahin an Sprach- , Sprech- und Bewegungsvariationen mit oft geradezu verschmitzter Leichtigkeit präsentiert haben, ist enorm.

Da wird gelautmalt und gereimt, da werden äußerst ungewöhnliche Bewegungen erfunden, die ganz organisch aus einem Klang oder einem Sprachrhythmus zu erwachsen scheinen. Laute, Klänge, Farben, Formen, Bewegungen, Figuren, Stille, Töne, Objekte und Bilder – die ganze Welt wird entdeckt, in dem man sie durch den eigenen Körper hindurchlässt. Und die „Einfallsmaschine“ steht kaum einen Moment still.

Dennoch ist die äußerst präzise und assoziationsreiche Inszenierung für Kinder ab vier der Leipziger Choreographin Irina Pauls mit Schauspielern des Theaters Junge Generation Dresden alles andere als überladen oder hektisch. So wie mitten auf der Elbe auch schon mal ein Krokodil schwimmen kann – laut einem der Kinderreime – entfaltet das Bewegungs- und Wortspiel in einem immer nachvollziehbar bleibenden Fluss seine verspielte Schönheit.

Zunächst sind da die vier wie Stoffpuppen ausgestopften und zusammengenähten Spieler, die, angeschubst durch kleinkindliche Lautlallereien, ihre eigenen Körper als Spielwerkzeuge entdecken und Sprache in Bewegung wandeln. Aus den Lauten werden Worte, aus Worten Reime, wobei die Kinder mit viel Vergnügen mitreimen. Dann kommen Bilder auf einer Projektionsfläche dazu, auf denen der Dresdner Maler Martin Mannig, der auch für die gesamte Ausstattung verantwortlich zeichnet, seine skurillen Figuren in Geschichten hinein- und wieder herausschickt. Die Zuschauer sind eingeladen, die Bilder in einen Kontext zum Spiel der Schauspieler zu setzen, während diese sich neugierig in ein neues verlockendes Bewegungsmuster einreihen oder einer eigenen Idee nachforschen; – zielloses Spiel kleiner Kinder, das nur den eigenen Impulse folgt.

Ein schöner Einfall ist auch, dass nach knapp der Hälfte das gesamte Publikum umzieht in den Raum hinter der Leinwand und dort fünf Objekte vorfindet, die zum weiterspielen animieren; große flache im Raum hängende Puppenköpfe, die in ihrer Janusköpfigkeit zu vielerlei Deutung anregen. In diesem zweiten Teil werden die Kinderreime konkreter in Bewegungsgeschichten aufgelöst, allerdings ohne sie nur zu illustrieren. Und selbst nach einer raumgreifenden Hetzjagd sprechen die Schauspieler die nächsten Reime, als wäre nichts gewesen, genauso wie sie eine komplizierte Bewegungsabfolge, in der jeder Körperteil separat zu reagieren scheint, mit beeidruckender Lässigkeit präsentieren. Das ist auch technisch brilliant, wie hier Sprache und Bewegung im wahrsten Wortsinn miteinander tanzen.

Das Experiment des tjg, sowohl Tanz und Bildende Kunst, als auch Bewegung und Sprache aufeinandertreffen zu lassen und sich, mehr prozess- als ergebnisorientiert, überraschen zu lassen von dem Neuen, das entsteht, ist geglückt. Und während die Vierjährigen gefordert werden ohne sie zu überfordern, bekommen die Erwachsenen ein Stück Kindheit zurückgeschenkt für den Moment.