Aufführungsfoto von „Die gelbe Lilie“ von Michael Krasznay-Krausz am Eduard-von-Winterstein-Theater Annaberg-Buchholz. Zwei Frauen und ein Mann stehen nebeneinander und werfen die Arme in die Höhe.

Viel Csárdás. Noch mehr Belehrung

Michael Krasznay-Krausz: Die gelbe Lilie

Theater:Eduard-von-Winterstein-Theater Annaberg-Buchholz, Premiere:13.12.2025 (DE)Vorlage:Die gelbe LilieAutor(in) der Vorlage:Lajos BíróRegie:Christian von GötzMusikalische Leitung:Markus Teichler

Das Eduard-von-Winterstein-Theater Annaberg-Buchholz bringt mit „Die gelbe Lilie“ von Michael Krasznay-Krausz eine musikalisch effektvolle Operette um eine standeswidrige Liebe auf die Bühne. Anstatt fröhlicher Anarchie verschreibt sich Christian von Götz‘ Inszenierung einem didaktischen Ansatz mit politischer Belehrung.

Keine Frage, der bald nach ihrer Uraufführung im Jahr 1934 in Wien verschollenen Operette eignet musikalisch Effektvolles. Dem erinnerungsseligen Walzerlied auf Wien des Protagonisten hätte auch ein Emmerich Kálmán kaum eine höhere Dosis Sentiment beizumischen gewusst. Der weiblichen Zentralfigur gönnt Komponist Krasznay-Krausz einen hinreißenden Csárdás. Rasante Modetänze der zwanziger und frühen dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts fegen über die Bühne.

Paul Abrahams musikalisches Idiom liegt in der Luft. Das geht ins Blut. Zumal Choreografin Katharina Glas auf ein ganz ungewöhnlich tanzaffines Ensemble bauen darf. Bei der eine um die andere fesche Sohle aufs Parkett legenden Malina Höfflin sitzt das Herz der vielleicht nicht hochtalentierten, aber lebenstüchtigen und couragierten Schauspielerin Mica auf dem richtigen Fleck. Höfflin erweist sich als äußerst gewinnende Tanzsoubrette. Ihrem Verehrer Leutnant Max von Hessen verleiht Richard Glöckner die tenorale und tänzerische Buffo-Unbekümmertheit des charmanten Hasardeurs. Zsófia Szabó verfügt für Judith Peredy – die Divenpartie – über einen ebenso ranken wie feurigen und geschmeidigen Sopran. Bezwingend singt und tanzt Peredy den Csárdás. Freilich schließt Angus Simmons als Liebhaber der reichen Gutsbesitzertochter kavalier-baritonal elegant zu ihr auf. Im Graben heizt Markus Teichler mit der Erzgebirgischen Philharmonie Aue dem Bühnengeschehen tüchtig ein. Wienerisches Idiom, Pusztaklänge und Jazziges lassen sich effektsicher kontrastiert vernehmen.

Stilsichere Ergänzungen

Teichler konnte für seine Arrangements auf die erhaltenen etwa vier Fünftel der originalen Noten zurückgreifen. Den Rest hat er stilsicher ergänzt. Wenig kann über die ursprüngliche Handlung des auf Lajos Bírós gleichnamigem Theaterstück fußenden Librettos von Géza Herczeg und István Zágon gesagt werden. Bíró ist kein gänzlich Unbekannter. 1929 wurde eines seiner Werke als beste literarische Vorlage eines Kinofilms für den Oscar nominiert, später schrieb er das Drehbuch für Billy Wilders die braune Bande attackierenden Hollywoodstreifen „Fünf Gräber bis Kairo“. Sein Schauspiel mit der Lieblingsblume der weiblichen Hauptfigur im Titel wird in Ungarn ab und an aufgeführt. Ob das Librettisten-Duo das Stück adäquat für Krasznay-Kraus‘ Operette zu adaptieren wusste, bleibt unklar.

Autor und Regisseur Christian von Götz hat das weit verstreute Aufführungsmaterial recherchiert und es zu einer Fassung umgearbeitet, die offenbar mindestens den Grundkonflikt bewahrt: die standeswidrige Liebe eines Hochadligen zu einer reichen, aber bürgerlichen Gutsbesitzertochter. Für die Intrige sorgen die Machenschaften der aristokratisch-dünkelhaften Tante des Mannes aus vornehmstem Haus, um die Beziehung zu hintertreiben. Von Götz entspinnt daraus das bis zum schlussendlichen Einverständnis zahlreiche Hindernisse überwindende Zueinanderfinden eines anfangs hedonistischen Habsburgerprinzen zur, auf Emanzipation und sexuelle Selbstbestimmung pochenden, Tochter eines ungarischen Großgrundeigners jüdischen Glaubens.

Aufführungsfoto von „Die gelbe Lilie“ von Michael Krasznay-Krausz am Eduard-von-Winterstein-Theater Annaberg-Buchholz. Eine Frau macht Handstand. Ein Mann im Pagenoutfit steht unter ihr hält sie an den Oberschenkeln fest. Hinter dem Mann hält sich eine andere Frau an ihm fest und streckt Arme und Beine von sich.

„Die gelbe Lilie“ von Michael Krasznay-Krausz, v.l.n.r.: Malina Höfflin (Mica), Richard Glöckner (Max von Hessen) und Verena Hierholzer (Cilli, Dienstmädchen). Foto: Dirk Rückschloß / Pixore Photography

Nicht genug des dramaturgischen Sprengstoffs, haben die Österreicher sich der Monarchie entledigt, wurden gar von Hitlerdeutschland bereits okkupiert. Nüchtern betrachtet, befindet sich der Habsburger in Ungarn auf dem Abstellgleis. Was seine Entscheidung für eine Bürgerliche erleichtert. So gibt denn von Götz einen Ausblick auf die Situation wenige Jahre nach Uraufführung der „Gelben Lilie“, deren Komponist sich seiner jüdischen Religion halber aus Berlin und Wien ins heimische Ungarn hatte flüchten müssen.

Überfrachtet

Gar in Konspiration und Widerstand gegen die dräuenden Deutschen, österreichischen und ungarischen Faschisten begibt sich Leutnant von Hessen. Als Enkel einer jüdischen Großmutter ist auch er in Gefahr, Opfer des Rassenwahns zu werden. Zur Mörderbande gesunken, erschießen ihn seine austrofaschistischen Offizierskameraden.

Von Götz leistet hier des Guten zu viel. Das musikalische Unterhaltungstheater in der Manier Paul Abrahams samt seines Kommilitonen Krasznay-Krausz entspringt fröhlicher Anarchie, nicht politischer Belehrung. Die Subversion erwächst aus antiautoritärer Lässigkeit, Charme und menschenfreundlicher Libertinage, nicht aus der Erotik des erhobenen Zeigefingers. Der sinnlichen Reize wegen mag immer der Spielleiter und in Personalunion Bühnenbildner einen Robinienwald auf die Bühne stellen, um darin die Personage in vollem Körpereinsatz liebeshungrig übereinander herfallen zu lassen wie in Shakespeares Ardennerwald. Der pädagogische Gestus scheint dennoch durch. Und selbst wenn das Ensemble amüsant grimassiert und sich gruppiert, bleibt die didaktische Absicht merkbar. Lehrtheater der überständigen Sorte.