Suchtpotential entwickelt das Ballett aber nicht allein durch die Musik. Wunderbar anzusehen in der Bühnenkonstruktion von Jaffar Chalabi sind die Bewegungskonzepte, in welchen sich die Tänzer selbst in Instrumente verwandeln. Beispielhaft hierfür ist ein Pas de deux zwischen Michael Banzhaf und der großartigen Giuliana Bottino, in dem der Tänzer seine Partnerin wie ein Violoncello mit dem Bogen streicht, während ihr Körper sich völlig seiner „musikalischen“ Führung hingibt, sich aufs Äußerste biegt und dehnt, bis er fast zu brechen droht. Insgesamt scheinen die Tänzer ganz aufzugehen in der Musik, deren barocker Kontext aufgebrochen wird durch zeitlos-moderne, oft komische Bewegungsformen. Und dann ist da noch die herausragende Polina Semionova, die als eine Art Todesengel in einem Hauch aus schwarzem Nichts und weißer Maske (Kostüme: Nacho Duato in Zusammenarbeit mit Ismael Aznar) mit grotesk-marionettenhaften und zugleich anmutig-fragilen Bewegungen dem immer schwächer werdenden Komponisten zu Leibe rückt und ihn ganz allmählich seiner Energie beraubt.
Von seinem Zauber hat Nacho Duatos Ballett nichts verloren. Sicherlich mag man die ein oder andere Idee als oberflächlich-plakativ erachten und wie gerne hätte man Live-Musik gehört. Dennoch entschädigt die phänomenale Leistung des Ensembles für die ein oder andere Schwäche des Abends.