Demis Volpi auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Programms für die Spielzeit 2025/26 an der Hamburgischen Staatsoper mit neuem Leitungsteam

Neuanfang gescheitert: Demis Volpi verlässt Hamburg

Schneller als erwartet haben sich der Aufsichtsrat der Hamburgischen Staatsoper und Ballettintendant Demis Volpi auf die einvernehmliche Auflösung seines Vertrags geeinigt. Vorerst soll eine gemeinschaftliche Interimsleitung das traditionsreiche Ballett führen. 

Am Hamburg Ballett endet eine Intendanz nach nicht einmal einer Spielzeit: Der Aufsichtsrat der Hamburgischen Staatsoper hat den Vertrag mit Ballettintendant Demis Volpi am 10. Juni vorzeitig aufgehoben. Beide Seiten vereinbarten eine sofortige Freistellung; zum Saisonende läuft die Zusammenarbeit offiziell aus. Mit dieser einvernehmlichen Vertragsauflösung reagiert man auf anhaltende interne Konflikte. Der erst im August 2024 angetretene Ballettchef Volpi bedauerte, dass sich seine Vision „trotz intensiver Bemühungen unter den aktuellen Rahmenbedingungen am Hamburg Ballett nicht weiter verwirklichen“ lasse.

Kritik aus dem Ensemble: Protestbriefe und Rücktritte

Der Entscheidung gingen interne und öffentliche Auseinandersetzungen voraus. Mehr als die Hälfte der Tänzer:innen des Hamburg Ballett beklagten in einem offenen Brief ein „toxisches Arbeitsklima“ unter Volpi, das immer mehr Ensemblemitglieder „an eine Kündigung denken“ lasse.

Kurz darauf warfen 17 aktuelle und ehemalige Mitglieder von Volpis früherer Kompanie in Düsseldorf ihm ein Arbeitsumfeld mit „inkonsequenter Kommunikation, mangelnder Transparenz und einer Atmosphäre der Angst und Unsicherheit“ vor. Die internen Vorwürfe reichten von Psychotricks über Machtspiele bis zu Schikane – auch von künstlerischer Inkompetenz war die Rede. Bereits Anfang Mai hatten fünf Erste Solist:innen ihre Verträge aus Protest nicht verlängert.

Gefährdungsbeurteilung

Die Krise um den Führungsstil des Neumeier-Nachfolgers hatte auch Konsequenzen im Spielplan: Ende Mai sagte das Hamburg Ballett die für Juli geplante Premiere von Volpis Choreografie „Demian“ – ursprünglich als Höhepunkt der 50. Ballett-Tage geplant – ab und verschob sie auf Dezember. Statt des neuen Stücks wurde kurzfristig ein bereits im Repertoire laufendes Ballett vorgezogen, um die Spielzeit abzusichern.

Parallel hat der Aufsichtsrat einen extern moderierten Prozess angekündigt, der Arbeitsbedingungen und Betriebsklima im Hamburg Ballett beleuchten und Ansatzpunkte für Verbesserungen liefern soll. Derzeit ist angedacht, die Compagnie von einem Leitungstrio aus Lloyd Riggins, Nicolas Hartmann und Gigi Hyatt führen zu lassen, um auf Basis der Ergebnisse Leitlinien für die künftige Zusammenarbeit zu entwickeln und eine neue Direktion zu finden.

So kündigte der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda an, die Leitung der Kompanie vorerst „auf mehrere Schultern“ zu verteilen. Die Interimsdirektion solle die Arbeit im Sinne der bisherigen Planungen fortführen und „die Weiterentwicklung des Hamburg Balletts zwischen Tradition und Moderne“ sicherstellen.

Schwieriger Neuanfang

Mit Volpis Abgang scheitert binnen neun Monaten der erste Versuch, das Erbe John Neumeiers behutsam zu modernisieren. Die Erwartungen an den 40-jährigen Nachfolger waren wohl zu hoch – und die durch John Neumeier geprägte, tief verwurzelte Ensemblekultur prallte zu hart auf Volpis Führungsstil.

Der Eklat wirft ein Schlaglicht auf die systemischen Herausforderungen eines klassischen, so traditionsreichen Ballett-Ensembles im Wandel: Wie lässt sich ein künstlerischer Aufbruch gestalten, ohne das Erbe zu beschädigen? Personelle Querelen nach dem Ende einer Tanz-Ära beschäftigen das Tanztheater Wuppertaler Pina Bausch seit über zehn Jahren. Fest steht, dass die Hamburger Ballettwelt erneut vor der großen Aufgabe steht, vertrauensbildende Strukturen zu schaffen und die Weichen für eine tragfähige Leitung in der Post-Neumeier-Ära zu stellen.