Neue Intendantinnen für Wiesbaden

Ein erfreutes Raunen ging gestern durch unsere Redaktionsräume. Der Anlass? Eine bemerkenswerte und vielversprechende Neuberufung: Das Hessische Staatstheater Wiesbaden wird ab der Spielzeit 2024/25 von Dorothea Hartmann und Beate Heine geleitet. Gemeinsam übernehmen sie das Amt von Uwe-Eric Laufenberg. Das ist aus mehreren Gründen erbaulich: Zuvorderst sind die beiden designierten Co-Intendantinnen sehr erfahrene Theaterschaffende mit langjähriger Leitungserfahrung, großem Wissen, einem ansehnlichen Netzwerk.

Profiliert und leitungserfahren

Es scheint ein logischer nächster Schritt für beide: Beate Heine war als Chefdramaturgin und stellvertretende Intendantin am Thalia Theater Hamburg, am Staatsschauspiel Dresden und am Schauspiel Köln engagiert, derzeit ist sie stellvertretende Intendantin des Deutschen Schauspielhauses Hamburg. In Dresden leitete sie, gemeinsam mit Jürgen Reitzler, bereits erfolgreich eine Spielzeit lang interimistisch das Staatsschauspiel. Als Dramaturgin hat sie mit überregional agierenden Regisseur:innen zusammengearbeitet, ihre Kontakte reichen weit über Deutschland hinaus. Sie ist die Schauspiel-Fachfrau des Teams – Dorothea Hartmann die Musiktheaterexpertin.

Seit 2012 gehört sie zum Leitungsteam der Deutschen Oper Berlin, verantwortet dort die künstlerische Leitung und Geschäftsführung der experimentellen Spielstätte Tischlerei, mit der sie das Profil des Hauses ästhetisch und theaterpädagogisch maßgeblich erweitert und zukunftsfähiger gemacht hat. Überdies ist Dorothea Hartmann als Dozentin an Musikhochschulen und Librettistin von Kinder- und Jugendtheaterstücken tätig. Geschäftsführender Direktor des Hessischen Staatstheaters bleibt übrigens Holger von Berg.

Das Theater wird weiblicher

Doppelspitzen oder Teamleitungen sind längst nicht mehr die Ausnahme, sie haben sich vielerorts bewährt (in Hessen kann man da beispielsweise ans Hessische Landestheater Marburg blicken, das Eva Lange und Carola Unser-Lichtweiß seit der Spielzeit 2019/20 gemeinsam leiten). Allein unter den 40 Bewerbungen für Wiesbaden habe es 15 Teambewerbungen gegeben, so verkündet das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst in seiner Pressemitteilung. Einzig ein Adjektiv in eben dieser Pressemitteilung irritiert etwas – zumindest mich: Von zwei „starken“ Theaterfrauen ist die Rede. Nun, ich möchte die körperlichen und geistigen Fähigkeiten beider natürlich keineswegs infrage stellen. Aber erinnert irgendjemand eine männliche Intendantenberufung aus jüngster Zeit, in der von einem „starken“ Mann die Rede ist? Muss bei Frauen hervorgehoben werden, dass sie Außerordentliches leisten, wenn sie eine Intendanz antreten dürfen? Oder liegt es daran, dass weibliche Berufungen noch keinen Traditionswert haben? Nicht, dass ich zwingend ein Haar in der Suppe finden möchte – im Gegenteil. Doch um das Geschlechter-Thema kommen wir nicht ganz herum.

Immerhin, in unserem über lange Zeit männlich dominierten Theatersystem hat sich zuletzt viel getan. Allein, von 39 Neuberufungen auf Intendanz-Ebene im deutschsprachigen Raum in den vergangenen zwei Jahren waren 20 weiblich, 19 männlich. Gerade erst letzte Woche sind zwei Intendantinnen berufen worden: Marie Johannsen in Neuss, Silvia Stolz in Fürth. Ob wir vielleicht in ein paar Jahren gar nicht mehr über Geschlechter, sondern ausschließlich noch über Qualifikationen sprechen werden? Zu wünschen wäre es. Beate Heines und Dorothea Hartmanns Qualifikationen stehen jedenfalls kein bisschen in Zweifel. Auf gutes Gelingen!