Kurzporträt mit Anlass: Wolfgang Kohlhaase
Foto: Wolfgang Kohlhaase 2016 in Berlin © akg-images/Susanne Schleyer Text:Michael Laages, am 13. März 2022
Vor knapp zwei Jahren ist eine der Kino-Ikonen der DDR gestorben: Renate Krößner, die 1980 „Solo Sunny“ war im Film von Konrad Wolf. Der Erfolg des Filmes auch im Westen brachte ihr wenig Glück – 1985 ausgereist, begann die Schauspielerin im Westen von vorn. Als Schlagersängerin „Solo Sunny“, bürgerlich: Ingrid Sommer, hatte sie an der Seite von Alexander Lang (später einer der prägenden Kräfte im Theater der DDR) und in einem hochkarätigen DDR-Ensemble von Karriere und Frust erzählt, wie sie üblich waren im kleinen Deutschland-Ost – und diese Geschichte hatte Wolfgang Kohlhaase geschrieben, der in dieser engen, zugesperrten Welt einen sehr eigenen, selbstbewussten Ton im Kino etabliert hatte: als Autor von Drehbüchern. Leider nicht von Theaterstücken – aber heute, Jahrzehnte später und in Zeiten, da die Erinnerung an die DDR weithin verblasst, halten immer wieder die Bühnen, speziell die im Osten vom Theaterland Deutschland, die die Erinnerung lebendig an den Leinwand-Dramatiker Wolfgang Kohlhaase, der heute, am 13 März, 91 Jahre alt wird. In letzter Zeit wird die Geschichte von „Solo Sunny“ auch auf der Theaterbühne immer wieder neu erzählt.
Das Volkstheater in Rostock zeigte das Stück, am Neuen Theater in Halle stand es auf der Liste jener Pläne, die in Zeiten der Pandemie nicht verwirklicht werden konnten; jetzt proben zwei weitere Bühnen „Solo Sunny“ – Premiere in Schwerin soll am 18. März sein, fünf Tage nach Kohlhaases 91. Geburtstag, und am 29. April folgt das Schauspiel in Magdeburg. DIE DEUTSCHE BÜHNE wird über beide Aufführungen berichten.
Kohlhaases Weg als Künstler war so vielleicht tatsächlich nur in der DDR möglich – der Sohn eines Maschinenschlossers schrieb schon in der Schule Geschichten, war Mitarbeiter der FDJ-Zeitschrift Junge Welt, früh schon Assistent beim Film in Potsdam-Babelsberg. Zwei Filme zu Büchern des Mittzwanzigers markieren Kohlhaases Position im Filmgeschäft der DDR – „Berlin Ecke Schönhauser“ und zehn Jahre später „Berlin um die Ecke“. Beide Filme hat Gerhard Klein inszeniert, und beide Filme eckten an – galten als zu realistisch, weil sie auch (und direkt wie nie zuvor) die dunklen, abgründigen Seiten zeigten in der Lebenswelt des angeblich so mustergültigen Staates des Arbeiter und Bauern. Der zweite der Filme von Kohlhaase und Klein war sogar verboten, gehörte zu den „Regalfilmen“ und wurde erst 1987 fertiggestellt.
Zwar zog sich Autor Kohlhaases für eine Weile in die Literatur zurück, aber die Nische im System, die er mit Leben füllt, blieb erhalten – seit Ende der 60er Jahre arbeitete Kohlhaase an der Seite des Regisseurs Konrad Wolf, Sohn des Schriftstellers Friedrich und Bruder von Markus Wolf, dem langjährigen Spionage-Chef der DDR. Kohlhaases Ruhm wuchs mit Konrad Wolfs Filmen, von 1968 mit „Ich war 19“ bis eben zu „Solo Sunny“ 1980. Beide Filme waren international anerkannte Erfolge. Auch darum blieb Wolfgang Kohlhaase nach der Wende einer der gefragtesten und hoch geschätzten Autoren fürs Kino in Deutschland – mit Szenarien für Volker Schlöndorff („Die Stille nach dem Schuss“) und immer wieder Andreas Dresen („Sommer vorm Balkon“, „Whisky mit Wodka“, „Als wir träumten“). Genau und differenziert wie wenige sonst beobachtet Kohlhaase Brüche und Befindlichkeiten von Menschen, lässt sich ein auf das private wie politische Drama der Figuren, die er kreiert; gelegentlich wird Kohlhaases Witz in eine Reihe gestellt mit Billy Wilder und Erich Kästner.
Den Ehrenbären der Berlinale erhielt der Autor 2010, im Vorgriff auf den 80. Geburtstag – und es wäre gut vorstellbar, wenn auch im Theater ab und zu genau hingeschaut würde, wie interessant dieser Wolfgang Kohlhaase auch noch fürs Heute und Hier geschrieben hat.