Gähnende Leere im Theater Bremen – so sieht es vielerorts schon seit Monaten aus. Das Foto entstand bereits im letzten Jahr im Rahmen des Adiowalks „Komm“.

Krisentagebuch 32 – Theater in der Coronaklempnerei

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber mancherorts stirbt sie auch ziemlich schnell. In meinem Krisentagebuch vom Freitag hatte ich in Bezug auf die Theater in der Coronakrise ja von einem „Türspalt für die Hoffnung“ orakelt, den der der neuste Corona-Beschluss den Theatern eröffnet habe, indem er die Möglichkeit von „Modellprojekten“ offenhielt. In diesem Rahmen sollten – unter strengen Schutzmaßnahmen und mit einem Testkonzept – einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens wieder öffnen zu können, „um die Umsetzbarkeit von Öffnungsschritten unter Nutzung eines konsequenten Testregimes zu untersuchen“. So haben etwa die Hauptstadt Berlin (wo die Modellprojekte allerdings gleich wieder ausgesetzt wurden, während man mit Schnelltests weiter einkaufen darf) oder die Hansestadt Rostock Vorstellungen mit Publikum ermöglicht und heute auch positive Bilanzen gezogen. In Schleswig-Holstein sind ähnliche Projekte, auch für Kulturbetriebe, geplant.

Das ist in der Beschränkung auf einzelne Projekte ebenso sinn- wie verantwortungsvoll. Denn dadurch die besteht die Möglichkeit, zielgenau zu beobachten, ob solche klar begrenzten Aktivitäten mit Tests und Hygiene wirklich risikolos gemanagt werden können, oder ob die Hoffnung getrogen hat. Die Hygienekonzepte der Theater und Konzerthallen waren von zahlreichen Fachleuten ja bereits im vergangenen Jahr als vorbildlich eingestuft worden. Sie hätten also eine gute Chance, einen solchen Risikotest zu bestehen und damit eine Perspektive für weitere Öffnungen zu schaffen. Aber eben nur für diesen Bereich! Denn was im Theater klappt, das kann in der Kneipe, der Diskothek oder in der Shopping Mall desaströs danebengehen. Deswegen lag gerade in der Konzentration auf „Projekte“ die besondere Chance für die Theater.

Jetzt aber, so kritisiert es auch die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckhardt, missbrauchen einige Ministerpräsidenten diesen Absatz im Beschlusspapier dazu, sich um die Corona-„Notbremse“ herumzudrücken: Sie ersetzen den Begriff der „Modellprojekte“ durch den der „Modellregionen“. Wenn sich aber ganze Regionen mit Geschäften, Bibliotheken, Schulen, Fitnesscentern und Theatern zum „Modell“ erklären, diffundiert das Infektionsgeschehen ins nicht mehr Nachvollziehbare. Und zudem versichern die Virologen, dass unter diesen Umständen die Inzidenzwerte auch mit konsequentem Testmanagement nicht mehr beherrschbar seien, weil die Schnelltests dafür bei asymptomatisch Infizierten und unter dem Regime der Mutanten nicht sicher genug seien. Doch einige Landesfürsten orientieren sich da offenbar an alternativen Fakten und pfeifen auf Beschlüsse, die selber mitgetragen haben – auch der NRW-Ministerpräsident, CDU-Vorsitzende und potentielle Kanzlerkandidat Armin Laschet, der es offenbar zulassen will, dass sich gleich weite Teile des größten deutschen Bundeslandes zu „Modellregionen“ erklären.

Für das  Infektionsgeschehen kann das zum Supergau führen, schlimmstenfalls zur Entstehung von impfresistenten Mutanten, wenn die Pandemie tatsächlich heftig wieder aufflammt. Und die Theater finden sich erneut Schlepptau aller anderen Institutionen wieder, ohne die spezifische Qualität ihrer Hygienekonzepte unter Beweis stellen zu können. Dass die Kultur laut Grundgesetz einen privilegierten Schutz verdient, spielt dann weiterhin keine Rolle. Und dass mit dem Fräulein Corona kein Kompromiss und kein Deal zu machen ist, hat sich auch nach einem Jahr Pandemie noch immer nicht herumgesprochen. So aber klempnert die Coronapolitik vor sich hin, und alle leiden: die Infizierten, das Krankenhauspersonal, die Schulen, die Geschäftsleute und Kneipiers… – und, möglicherweise völlig unnötig, auch die Theater.