Ein Teller mit Spaghetti Bolognese. Auf dem Hackfleisch liegen Parmesanspähne und Petersilie.

Kultur & Spaghetti

Die Gastronomie ist oft ein Sorgenkind von Theaterleitungen und Besucher:innen. Dabei können kulinarische Angebote ein Mittel sein, dem Publikum auch die Kunst schmackhafter zu machen. In den nächsten Ausgaben zeigen wir Beispiele, wo das hervorragend klappt. Diesmal: das Mahlwerk am Jungen Staatstheater Parchim.

Jede Geschichte hat ihre Vorgeschichte. Die der Kulturmühle – und damit des Mahlwerks – ist das Hotel Graf Moltke in der Parchimer Blutstraße. Im Sommer 1945 befahl der Parchimer Stadtkommandant der Roten Armee die Einrichtung eines Theaters. Das Hotel bot sich an, da es einen Ballsaal besaß – der nun für die neu entstehende Bunte Bühne Parchim genutzt wurde. Neben dem Theater gab es hier Gastronomie und Tanz.

Ein fast achtzigjähriges Provisorium bis zur Eröffnung der Kulturmühle im Jahr 2023. Die so von Anfang an in Parchim bestehende Verbindung von Theater und Gastronomie liegt Thomas Ott-Albrecht, seit 2003 Intendant in Parchim, besonders am Herzen. Und seit das Landestheater Parchim 2016 als Junges Staatstheater Parchim zum Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin gehört, wurde diese Verbindung von Kulinarischem und Künstlerischem Teil einer gemeinsamen Idee. Denn auch Schwerin pflegt diese Verbindung, seit der damalige Intendant Joachim Kümmritz die Theken-Nächte ins Leben rief.

Gaststätte, Kantine, gehobenes Restaurant

2014 war der große Saal des alten Theatergebäudes in der Blutstraße nicht mehr nutzbar. Und die große Mühle an der Elde, ein Industriebau aus dem 19. Jahrhundert, hatte 2008 ihren Betrieb eingestellt. Könnte man hier nicht das zusammenbringen, was in einer eher kleinen Stadt wie Parchim ohnehin zusammengehört? Das Theater unter einem Dach mit dem Stadtmuseum, der Touristinformation – und einer Gaststätte, die zugleich Kantine und gehobenes Restaurant sein konnte?

Nach nur vier Jahren Bauzeit eröffnete dann die Kulturmühle – ein Coronazeit-Bau, dessen ebenso gediegenes wie kompaktes Gesamtkonzept verblüfft. Das alte Industriegebäude wurde nach modernen Standards umgebaut, ein Teil wurde denkmalschutzgerecht erhalten, und zusätzlich entstand ein Neubau. So gibt es nun einen Theatersaal, zwei Probebühnen, Fundus und Gewerke – und das Restaurant Mahlwerk. Die Fassade des Neubaus ist der des alten Klinkerbaus angeglichen und erhielt zusätzlich eine Wellenstruktur, mit Anklängen eines sich öffnenden Vorhangs und wehendem Wind. Die organische Verbindung beider Gebäude ließ etwas entstehen, in dem Tradition und Utopie zusammenklingen. Der Architekt Kilian Enders will damit Assoziationen zu den Unterwasserdarstellungen Piranesis und den Raumüberschneidungen des Aktionskünstlers Gordon Matta-Clark, der für sein Out-of-the-box-Denken berühmt war, wecken. Besonders hatte es ihm die hohe „gotisch anmutende Siloanlage“ angetan.

Der Eingang der Kulturmühle des Jungen Staatstheater Parchim. Rotes Backsteingebäude, über dessen Eingang in großen Lettern Kulturmühle steht.

Kulturmühle am Jungen Staatstheater Parchim. Foto: Gunnar Decker

Eldemühle

Im Foyer der Kulturmühle steht ein sinnfälliges Symbol dessen, was hier zu finden ist: ein Doppelwalzenstuhl der ehemaligen Eldemühle aus dem Jahr 1964. Mit dieser Maschine wurden die Schalenteile des Getreides entfernt. Spreu vom Weizen trennen, das ist umgangssprachlich zu einem Akt der Klärung geworden, im Sinne von: Mensch, werde wesentlich! Und nun findet sich – gleich neben dem neuen Theatersaal – im Herzen der Kulturmühle das Mahlwerk, ein Restaurant, das sich das Motto „Mehr als Brot und Korn“ gegeben hat. Mit einer Faltwand, die die Gastronomiegeräusche der offenen Küche um 47 Dezibel reduzieren soll, kann ein benachbarter Raum geöffnet und geschlossen werden: eine Kleinkunstbühne samt gastronomischem Service.

All das ist nun Teil des Gesamtkunstwerks Kulturmühle. Man hat nicht an der Ausstattung gespart, der Fußboden ist aus besonderem Hochkantlamellenparkett, eine Glasfront samt großer Terrasse über der Elde gibt dem lichten Raum etwas von einem Refugium.

Inklusives Unternehmen

Man kann hier besondere Gerichte wählen, etwa Ochsenbäckchen mit buntem Gemüse und Basilikumpüree für 26,50 Euro oder Skreifilet mit Zitrus-Spitzkohlgemüse und Drillingen für 27 Euro. Allein die Titel lassen Spitzengastronomie-Ambitionen erkennen, die Preise auch. Ott-Albrecht freut sich über die gastronomische Option in Kombination mit dem Kulturangebot. Parchim sei eine wohlhabende Stadt, erzählt er, im Sommer würden manche Gäste mit ihren Booten auf der Elde bei der Restaurantterrasse vorfahren. Das weckt Venedig-Assoziationen im Herzen von Mecklenburg.

Wir wählen das Mittagsgericht Spaghetti Bolognese mit Grana Padano für 8,50 Euro. Für Mitarbeiter des Hauses gibt es einen Rabatt von 20 Prozent. Eine gute Wahl, wie sich zeigt, denn man beweist Sinn für Details, die allem – gleich, ob Theater oder Restaurant – erst den besonderen Charakter geben. Hier ist es das Basilikum, nur als dezente Note, aber jederzeit herauszuschmecken. Und noch etwas Besonderes birgt das Mahlwerk: Die Lewitz-Werkstätten als Gesellschaft zur Förderung von Menschen mit Behinderung betreiben es als inklusives Unternehmen. Der Restaurantleiter Thomas Preuß kommt an den Tisch, gerade herrscht Hochbetrieb, da hat er nicht viel Zeit. Preuß ist gebürtiger Parchimer und nun, nach Jahren im Westen, in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Das Ziel sei es gerade, sagt er, den Druck rauszunehmen, mit dem die hier Arbeitenden nicht so gut umgehen können. Zehn Mitarbeiter hat er, fünf in der Küche, fünf im Service. Mindestens die Hälfte von ihnen muss für den ersten Arbeitsmarkt schwer zu vermitteln sein, damit die Stadt Lohnzuschüsse zahlt.

Kulinarik vor dem Theaterbesuch

Wie soll das gehen, ohne Druck in einem Restaurant zur Mittagszeit? Es geht, sagt Preuß, man müsse nur jeden an den richtigen Platz stellen. Gelernte Fachkräfte sind es nicht, manche kommen aus der Landwirtschaft oder Industrieberufen – was hier allein zähle, sei der Wille, gemeinsam etwas zu leisten.

Einschränkungen für inklusive Unternehmen gibt es aber auch. So ist das Mahlwerk Montag und Dienstag geschossen und abends ab 21 Uhr ohnehin. Nicht gerade günstig für jene, die nach dem Theater noch etwas essen wollen. Aber das Publikum hat sich daran gewöhnt, es kommt nun einfach vorher.

Wir aber müssen uns beeilen, denn um 14 Uhr beginnt gleich nebenan „Lilly unter den Linden“ von Anne C. Voorhoeve in der Regie von Jule Kracht, eine sehenswerte Inszenierung über Kindheit und Jugend im Spannungsfeld von Ost und West.

Gunnar Decker berichtet über seine Erfahrungen mit Theatergastronomie: „Als ich Mitte der 1980er-Jahre nach (Ost-)Berlin kam, schotteten sich die Theater gegen Besucher von außen regelrecht ab. Wollte man hinein, dann brauchte man jemanden vom Haus, der einen mitnahm. Einmal war es ein angetrunkener Dramatiker, der mich nach einer Vorstellung in die Kantine des Deutschen Theaters einlud. Der legendäre Keller unter dem Theater-Olymp! Er sagte, er müsse nur schon mal vorgehen und die Lage sondieren. In spätestens fünf Minuten sei er zurück, mich nachzuholen. Ich wartete zwanzig Minuten in der Kälte und ging dann – wie die Lage war, habe ich nie erfahren.“

Dieser Artikel ist erschienen in Heft Nr.2/2025.