Tanzszene aus „Climax“

Film zu Ostern: Climax

Thematisch hat „Climax“ rein gar nichts mit Ostern zu tun, nicht mit lichter, inniger Osternacht, schon gar nicht mit Auferstehung. Am ehesten noch mit Karfreitag, mit Schmerz, Reue, Tod. Und Tanz.

Den Filmemacher Gaspar Noé kenn man eigentlich nur mit dem angeklebten Lable „Skandalregisseur“. Als Vorbilder nennt er Rainer Werner Fassbinder, Pier Paolo Pasolini; Martin Scorsese und David Cronenberg. Wie bei den Filmen dieser Regisseure (abgesehen von Scorseses Arbeiten der letzten Jahre), gilt für Noés Filme, dass sie sich nicht im engeren Sinne konsumieren lassen. Man kann sie über sich ergehen lassen, sich ihnen verweigern oder muss sich ihnen aussetzen. Viellecht auch deshalb konnte der argentinische Regisseur in 20 Jahren nur vier Langfilme fertigstellen, „Menschenfeind“, „Irreversibel“, „Love“ und „Climax“.

Dieser Film kam 2018 in die Kinos und hat eine klassische fünfaktige Stuktur. Zuerst werden Tänzerinnen und Tänzer für eine Tournee ausgewählt. Wir sehen sie einzeln auf einem alten Fernsehbildschirm. Sie sprechen über sich. Zweiter Akt: Tanz. Großartiger Tanz. Eine lange Szene ohne Schnitt zeigt eine brillante, geradezu uferlos sinnlich gefilmte Gruppenchoreographie mit individuell herausgestellten Körpersprachen. Die Dynamik ist schwindelerregend, der Rhythmus so perfekt inszeniert, dass es einen messerscharf am Rand eines imaginären Abgrund entlang treibt und dabei die eigene Angstlust genießen lässt. Der Tanz geht in eine Party über. Die Proben sind vorbei, morgen geht es auf Tournee. Die Kameraschwenks sind hart, schnell, wild. Geschnitten wird nur, wo es nicht anders möglich ist. Etwas stimmt nicht: Es sind Drogen in der Bowle. Unterdrückte Triebe, Verlangen, Sehn- und Eifersucht, Narzissmus, Komplexe aller Art drängen an die Oberfläche, brechen sich gewalttätig Bahn. Am nächsten Morgen kommt die Polizei, versorgt die Wunden, ordnet die Toten.

Ein Film wie ein Drogentrip. Das divers und international zusammengestellte Ensemble spielt fantastisch zusammen. Jeder dieser 21 dargestellten jungen Menschen ist auf seine Weise wahrnehmbar schön und gleichzeitig kaputt, häßlich, ein Freak. Aber die Schönheit überwiegt. Und überlebt die Nacht trotzdem nicht.

Ende 2018 kam „Climax“ in die deutschen Kinos und war kein Erfolg. Zu komplex. Zu hart. Wer einen Tanzfilm sehen will, will keinen Hoororfilm und andersherum. Aber es handelt sich hier sehr eindeutig um ein fimisches Meisterwerk. Um einen Kommentar zu unserer Zeit in einer eigenständigen ästhetischen Sprache. Um ein Bekenntnis zur Diversität inklusive des Eingeständnisses, dass deren oberflächliche Verwirklichung zwar ein unverzichtbarer Schritt ist, aber für sich genommen keine Probleme löst.

Einer der wenigen Filme, die ich gesehen habe, von denen ich sagen würde, dass man ihn gesehen haben muss. Man kann „Climax“ allerdings nicht nebenbei sehen oder zwischendurch. Und in den Osterferien ist ja vielleicht, gerade in diesem Jahr, ein wenig Zeit.

Der Film ist auf DVD und Blu-Ray günstig greifbar (FSK 16) und via Netflix zu streamen.