Schlussbild von „Messages from Mariupol"

Europäischer Theatertag in Berlin

Der Welttheatertag erschien mir persönlich bislang eher als eine Selbstfeier der Theaterszene und internationaler Netzwerke. Einen Monat nach Kriegsbeginn in der Ukraine hat sich der Eindruck gewandelt. Am Deutschen Theater in Berlin fand gestern ein mehrteiliger Abend statt, der den Welttheatertag unter dem Motto „Stay United“ für eine künstlerische Solidaritätsbekundung mit der Ukraine und damit zu einem ausgesprochen europäischen Tag machte.

Der letzte Abschnitt „Kriegstagebücher“ begann mit der Ausstrahlung der auf Facebook gestreamten Premiere von Harold Pinters „A New World Order“ vom ProEnglishTheatre in Kiew, die tatsächlich an diesem 27. März 2022 stattgefunden hat. Die seit der Corona-Pandemie deutlich intensivierte Nutzung von digitalen Medien zeigte hier und an anderer Stelle, was für ein Segen diese technische Entwicklung auch für das per se analoge Treffen im Theater mittlerweile sein kann. Beeindruckend, auch ob der immer wieder aufblitzenden inneren Distanz zum momentan so erschütternden Geschehen um sein Kiewer Left Bank Theatre herum, war auch die Lesung der Kriegstagebücher des – inzwischen nach Berlin gereisten – Dramaturgen Pavlo Arie zusammen mit DT-Schauspieler Elias Arens.

Der erste Teil des Abends, „Messages from Mariupol“, konzentrierte sich ganz auf die inzwischen zerstörte Stadt, um die Menschen von dort und um die kulturelle Blüte der Hafenstadt in den letzten Jahren. Beteiligte aus Berlin, England, der Schweiz, aus Griechenland und eben aus dieser Stadt wurden in den Kammerspielen oder aus der nahen Ferne zugespielt. Ensemblemitglieder des Jugendtheaters Teatromanyia hatten im zerstörten Theater der Stadt noch Zuflucht gesucht, ihr Leiter Anton Telbizov befand sich zu Kriegsbeginn im Ausland und gehört nun zu den in Berlin gestrandeten Künstlerinnen und Künstlern aus der Ukraine. Musiker umrahmten die Berichte. Die Videodokumentation einer Produktion von 2021, in der Jugendliche ihre Angst vor dem – in der Stadt noch immer nahen – Krieg in der Ostukraine artikulieren ging ähnlich unter die Haut wie das aktuelle Tondokument einer (nach drei Wochen aus der belagerten Stadt) geflüchteten Schauspielerin. Zum Scheinwerferlicht auf einen leeren Stuhl auf der Bühne war ihre Stimme zu hören: „We need you, we need food, water. We need something to live.“

Die Veranstaltung war ein Zeugnis der Gemeinsamkeit von Theaterleuten aus ganz Europa. Betroffene kamen in ihrer Würde und künstlerischen Kraft zu Wort. Ganz am Anfang stand die vom Deutschem Bühnenverein und ITI produzierte Videobotschaft der ukrainischen Autorin Natalia Vorozhbyt. Sie betonte, dass der Welttheatertag im Angesicht des Krieges kein Festtag sei, verwies auf die Verantwortung der russischen Intelligenz und beschwörte die Gemeinsamkeiten des europäischen Theaters. Ein starker Welttheatertag in Berlin.