Blick auf das verglaste und erleuchtete Foyer bei Dämmerung.

Drohende Insolvenz: Was ist los im Theater Eisleben?

Für das Theater Eisleben endete das Jahr 2023 mit einer herben Niederlage: Die Anschlussverträge konnten nicht unterzeichnet werden, die Finanzierung sei über die kommenden Wochen hinaus nicht gesichert und es droht die Insolvenz. Das Problem besteht in einem Verteilungsstreit zwischen Stadt und Kreis.

Die Uhr läuft seit dem 21. Dezember 2023 für das Theater Eisleben unerbittlich ab: Das Theater muss sich seither aus eigenen Rücklagen finanzieren. Und auch wenn das Haus gut gewirtschaftet hat, reichen die nur für einige Wochen. Daher musste Intendant und Geschäftsführer Ulrich Fischer die drohende Insolvenz anzeigen und teilte das auch umgehend öffentlich mit. „Das kann nicht mehr still vor sich hinlaufen, da müssen Entscheidungen getroffen werden“, begründet der Theatermacher diesen Schritt.

Gleich folgten aus der Stadtgesellschaft Solidaritätsbekundungen. „Auf der anderen Seite gibt es auch Leute, die sagen: ,Ich habe eine Abonnement. Wenn ihr schließt, was wird dann aus dem Geld?‘ Oder es haben viele Leute Gutscheine gekauft. Das ist eine fünfstellige Summe, wo wir in einer Bringschuld sind“, meint Fischer.

Haushaltsloch nach Urteil in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt schließen die Träger – in der Regel sind das die Kommunen – einen Fünfjahresvertrag über die Finanzierung. Die Gelder werden vom Land Sachsen-Anhalt ungefähr um die Hälft aufgestockt. Das Theater Eisleben wird von der Kulturwerk gGmbH getragen. Die Gesellschafter sind zu einem Fünftel die Stadt Eisleben, die auf 450.000 Euro jährlich aufgestockt hat, und der Kreis Mansfeld-Südharz zu vier Fünfteln, der das Theatergebäude verpachtet und jedes Jahr 1,6 Millionen Euro beisteuert. Das ist eine ungewöhnliche und für Sachsen-Anhalt einmalige Konstellation. Im Dezember 2023 sollten nun die Verträge aller Theater in Sachsen-Anhalt bis 2028 unterzeichnet werden. Der Kreis Mansfeld-Südharz sagte diesen Termin für das Theater Eisleben jedoch ab.

Landkreise generieren keine eigenen Steuereinnahmen, sondern erhalten über die Kreisumlage Gelder von den einzelnen Kommunen. Ein fragiles System, gegen das in Deutschland regelmäßig geklagt wird. So mahnten auch im Harz Kommunen Verfahrensfehler an. Das Verwaltungsgericht Halle entschied, dass die Kommunen zu viel gezahlt hätten. Eine Berufung des Kreises wurde im Dezember vom Oberverwaltungsgericht Magdeburg überraschend schnell abgelehnt. Damit hat der Kreis Mansfeld Südharz ein Defizit in dreistelliger Millionenhöhe und der beschlossene Haushalt ist hinfällig – auch die 1,6 Millionen für das Theater fehlen.

Suche nach Schuldigen im Harz

Landrat André Schröder (CDU) betont, dass er bei den Kommunen immer für Rechtsfrieden wirbt: „Es lohnt sich nicht zu klagen. Es ist immer ein gegenseitiges Wehtun. Es bindet Ressourcen.“ Denn durch die Verfahren seien Kosten von ungefähr sechs Millionen Euro entstanden. Dabei sei der Kreis unverschuldet in diese Situation geraten, meint Schröder.

Dem widerspricht der Carsten Staub (parteilos), Bürgermeister von Eisleben, zumindest teilweise: Das Urteil aus Halle war bekannt und der Haushalt wurde vom Kreistag viel zu spät verabschiedet. „Wenn man sich dieser Verantwortung bewusst ist, dann weiß man, dass man langfristig Verantwortung tragen muss.“

Der Schaden im Theater Eisleben zeigt sich bereits: Ein gemeinsames Projekt mit der Bundeskulturstiftung wurde vorerst gestoppt. Auch im Alltag werden die Probleme deutlich: „Die Zulieferer sagen: ‚Nur noch Vorkasse.‘ Wir haben offene Stellen ausgeschrieben, darauf bewirbt sich keiner“, erzählt der Intendant. „Die Kollateralschäden sind das, was uns am meisten trifft.“ Das betrifft auch seinen Posten: Ulrich Fischer leitet das Haus schon seit 30 Jahren und wird demnächst gehen. „Es wird schwer, mit diesen Schlagzeilen jemanden zu finden“, meint Bürgermeister Staub.

Ein Mann mit Polo-Hemd blickt in die Kamera.

Seit 30 Jahren leitet Ulrich Fischer das Theater Eisleben. Foto: Julia Fenske

Streit um Lösungen für Eisleben

Ohne Rücksprache mit den Beteiligten präsentierte das Landratsamt am Freitag, dem 12. Januar 2024, der Öffentlichkeit eine Lösung: Die Stadt Eisleben soll vorerst allein unterschreiben und seinen Teil tragen. Die Kommune könne den fehlenden Teil des Kreises ausgleichen mit den Rückzahlungen der Kreisumlage. „Wir sind so verlässlich bei unseren Ausgaben, wie wir bei unseren Einnahmen sind. Das haben wir immer gesagt“, sagt Landrat Schröder und erklärt gleichzeitig, dass man damit keine Kosten auf die Kommune umwälzen wolle. Er betont auch, dass er als einziger einen Lösungsvorschlag biete.

Erneut widerspricht Bürgermeister Staub: Die Stadt Eisleben hätte schon im Dezember unterzeichnet, um mehr Planungssicherheit zu ermöglichen, das sei aber vom Landratsamt verhindert worden. Außerdem sei die Rückzahlung kein Geldgeschenk, sondern Erstattung fehlender Gelder. Und: „Die Erfüllung der Pflichten als Gesellschafter sollte sich bei der Aufteilung der von den Trägern geforderten Zuwendung widerspiegeln“, heißt es aus dem Bürgermeister-Büro. Dort bleibt man auch beim Angebot, dem Theater die verabschiedeten Mittel schon zur Verfügung zu stellen.

Beide Seiten verweisen dabei immer wieder auf die Gelder vom Land Sachsen-Anhalt. Die Staatskanzlei bestätigt, dass das Geld vorhanden sei und nicht anderweitig vergeben wird. Es werde aber erst gezahlt, wenn die Gesellschafter sich geeinigt hätten und dann auch umgehend.

Ein Mann kniet auf dem Boden und hält eine Frau in den Armen. Im Hintergrund stehen weiß gekleidete Menschen auf durchsichtigen Treppenpodesten.

Trotz drohender Insolvenz läuft der Proben- und Spielbetrieb am Theater Eisleben weiter. Auf dem Spielplan steht beispielsweise Goethes „Faust”. Foto: Jens Schlüter

Die Hoffnung bleibt

Auf die Frage, ob hier ein Verteilungsstreit auf dem Rücken des Theaters geführt würde, stimmt Ulrich Fischer eindeutig zu. Auch habe er das Gefühl, dass das Theater hintenangestellt sei und diese Vertragsabschlüsse immer zu kurzfristig erfolgen. Dennoch scheint die Stimmung bei ihm und am Haus pragmatisch bis optimistisch zu sein. Ein Teil der Belegschaft sei schon „sturmerporbt“. Vor zehn Jahren drohte dem Theater schon einmal die Schließung, weil Kürzungspläne verhandelt wurden. Diesmal jedoch haben sich in der Politik alle klar hinter das Theater gestellt.

Das nächste Gesellschaftertreffen ist für Ende Januar angesetzt. Dort muss zumindest eine kurzfristige Lösung gefunden werden, damit das Theater nicht wirklich in eine Insolvenz rutscht.