Bertolt Brecht auf einer Briefmarke zum 125. Geburtstag

125 Jahre Bertolt Brecht

Zum Geburtstag eines Klassikers des 20. Jahrhunderts

„Das Schicksal des Menschen ist der Mensch“ – was Bertolt Brecht in seinem Stück „Die Mutter“ schreibt, ist damals wie heute gültig. Heute vor 125 Jahren wurde der Dichter, Regisseur und Theatermacher in Augsburg geboren. Und vor knapp 70 Jahren starb Bertolt Brecht mit – aus heutiger Sicht ziemlich jungen – 58 Jahren. Übrigens war gestern ein anderer Jahrestag eines süddeutschen Klassikers: Der Münchner Komiker Karl Valentin, der mit seinem trockenen Humor im München der 1920er Jahre auch Brecht stark beeinflusste, starb vor 75 Jahren.

Brechts Dramen sind längst Schullektüre. Dabei wird er als Lyriker und Erzähler eher unterschätzt, auch sein Einfluss auf das Gegenwartstheater wird in seiner ganzen Bedeutung kaum erfasst. Das Regietheater, wie es im 20. Jahrhundert entstanden ist und bis heute fortwirkt, sowie alle Formen des politischen Theaters sind stark von Brechts gesellschaftspolitischen und ästhetischen Ideen geprägt. Brecht glaubte nicht an ein diffuses Schicksal, sondern an die Veränderbarkeit der Welt. Das einleitende Zitat stammt von einer Frau, die sich zur Kommunistin wandelt. So war es kein Zufall, dass Brecht nach dem Exil während der Nazi-Herrschaft in der DDR lebte und wirkte. Zumindest als früher Klassiker wurde er aber auch bald durch die Theater (und Schulen) in der Bundesrepublik breit rezipiert. Der berühmt-berüchtigte V-Effekt ist längst Teil der DNA des deutschsprachigen Theaters. Brechts Begriff des epischen Theaters nimmt das bewusst neben sich stehende Theater der letzten Jahrzehnte vorweg, es ebnete dem postdramatischen Theater den Weg.

Brecht im Theater heute

Andererseits dienen Brechts Stücke – fast eine Ironie der Geschichte – häufig als Grundlage für illusionistisches Theater der Einfühlung: Mutter Courage, die versucht im Krieg ihr kleines wirtschaftliches Glück zu machen, ist Anti-Heldin oder zumindest eine ambivalente Figur, und wird doch aufgrund der lebendigen dramaturgischen Gestaltung leicht zur Identifikationsfigur. Brecht gehört regelmäßig zu den meistgespielten Theaterautor:innen, oft landet er in den Werkstatistiken der letzten Jahrzehnte hinter Shakespeare auf Platz 2. Seine Stücke sind für die Theater eher eine sichere Bank als Ausgangspunkt für Experimente. Überschreibungen wie sie bei anderen Klassikern üblich sind, finden sich bei Brecht eher selten. Die Werke spielen im Feuilleton keine große Rolle, ich selbst habe, wie ich heute feststelle, kaum Brecht-Inszenierungen in den letzten Jahren gesehen. Während Brechts anti-illusionistische Theaterästhetik, seine Offenheit für neue Formen und Techniken, sein Sinn für die Verschmelzung diverser Textvorlagen auch in die Zukunft weisen, sehe ich seine bekanntesten Stücke eher als Werke einer vergangenen, sehr übersichtlich gestalteten Welt.

Aber schauen Sie und wir doch selbst, wie Brechts Stücke in der nächsten Zeit gespielt werden. Am heutigen Geburtstag selbst, dem 10.2., gibt es eine Premiere am Nationaltheater Mannheim von „Der gute Mensch von Sezuan“ nach der „Dreigroschenoper“ das meistgespielte Stück von Brecht. Außerdem beginnt heute das Brecht-Festival in Augsburg. Darüber werden wir am 15.2. in einer Zwischenbilanz berichten.



Hier finden Sie eine Übersicht anstehender Brecht-Premieren:

– „Der gute Mensch von Sezuan“, Regie: Charlotte Sprenger, 10.2.23 Nationaltheater Mannheim
– „Die Dreigroschenoper“, Regie: Axel Krauße, 11.2.23 Theater Ansbach
– „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“, Regie: Dominik Günther, 17.2.23 Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen
– „Die Dreigroschenoper“, Regie: Alexander Müller-Elmau, Matthias Straub,25.2.23 Landestheater Coburg
– „Die Dreigroschenoper“, Regie: Georg Schmiedleitner, 24.3.23, Meininger Theater
– „Im Dickicht der Städte“, Regie: Katharina Ramser, 15.4.23, Deutsches Theater Göttingen
– „Der kaukasische Kreidekreis“, Regie: Sascha Bunge, 22.4.23 Landesbühne Niedersachsen Nord Wilhelmshaven
– „Der gute Mensch von Sezuan“, Regie: Bernadette Sonnenbichler, 22.4.23, Schauspielhaus Düsseldorf
– „Die Dreigroschenoper“, Regie: Robert Pienz, 29.4.23, Schauspielhaus Salzburg
– „Die Dreigroschenoper“, Regie: Hermann Schmidt-Rahmer, 13.05.23, Theater Freiburg
– „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“, Regie: Laura Linnenbaum, 20.05.23, Theater Bonn