Sylvia Panter in ihrem Projekt „Fälschung wie sie ist, unverfälscht", 1994 im ehemaligen Pathos transport theater, dem heutigen PATHOS München

Ausstellung: „Die Lust am anderen Theater“

Freies Theater? Was soll das denn sein? Das wurde Thomas Petz häufig gefragt, als er 1977 das „Internationale Festival des Freien Theaters“ in München gründete. „Das ist ganz einfach“, antwortete er: „Das ist das Theater der Leute, die keinen Platz finden in den festen Strukturen der etablierten Theater, die sich ihre eigenen Räume und ihr eigenes Theater schaffen wollen, um dort ihre eigene Fantasie und ihre eigene Ästhetik zu entwickeln. Das ist das freie Theater.“ – Und diesem freien Theater, das sich seit den 1960er-Jahren neben den großen Häusern etablierte, widmet das Deutsche Theatermuseum in München nun eine Ausstellung: „Die Lust am anderen Theater – Freie Darstellende Künste in München“.

Viele der Gruppen und Theater, die hier vorgestellt werden, gibt es nicht mehr. Die Ausstellung ist eine Retrospektive, die Erinnerung an eine Zeit des Umbruchs und der Innovation, die die Theaterlandschaft nachhaltig und bis heute verändert hat. Nicht nur in München. Die Kuratorin Birgit Pargner hat gemeinsam mit Burchard Dabinnus, Ulrike Kahle-Steinweh und Axel Tangerding in den Archiven gekramt, Material ausgegraben, Fotos, Video-Aufzeichnungen und Gespräche. Da kann man zum Beispiel Rainer Werner Fassbinder zuhören, wie er 1970 in einem Interview erklärt, warum er das von ihm mitgegründete Antiteater dem herkömmlichen eindeutig vorzieht: „Theater ist einfach was Schreckliches, weil Theater immer in Betrieben stattfindet“, sagt er. Und: „Da gerät man in Systeme, in die man nicht geraten will.“

Kurt Raab (v.) und Rudolf Waldemar Brem in Jarrys „König Ubu“, 1968 am Antiteater inszeniert von Erwin Reutzel. © Konrad Emmer

Kurt Raab (v.) und Rudolf Waldemar Brem in Jarrys „König Ubu“, 1968 am Antiteater inszeniert von Erwin Reutzel. © Konrad Emmer

Die verschiedenen Theater haben eigene Bereiche, in denen zu sehen ist, was geblieben ist von der vergänglichen Bühnenkunst: neben Fotos und Video-Aufnahmen vor allem ein Fundus an Geschichten, die in nun geführten Gesprächen dokumentiert sind. Da erzählt beispielsweise Manfred Beilharz, wie Otto Sander 1965 im Studententheater in Peter Weiss’ „Nacht mit Gästen“ spielte. Weil er an der Otto-Falckenberg-Schule studierte und diese es ihren Studenten nicht erlaubte, neben der Ausbildung anderswo zu spielen, tat er dies unter dem Pseudonym Hanno Anders. Die Theaterkritikerin Ingrid Seidenfaden aber erkannte ihn und lobte ihn – unter seinem echten Namen. Tags darauf schmiss der Schulleiter Sander von der Falckenberg-Schule, „weil er ohne dessen Genehmigung bei fremden Menschen sein ‚Talent versaute‘, statt es bei ihm pflegen zu lassen“.

Nicht wenige Akteure und Geschichten sind bereits vergessen, nicht selten steht in Bildbeschreibungen das Wort „unbekannt“. Das, was noch erhalten ist, wurde hier aufwendig zusammengetragen und aufbereitet. Und das ist wirklich ein Dienst an der Theatergeschichte. In dieser Ausstellung – und vor allem im ausführlichen Katalog – werden die Ursprünge dessen erforscht, was unser heutiges Theater ausmacht. Das freie Theater hat sich nicht nur etabliert, es wirkt inzwischen zunehmend in die Stadttheaterszene hinein. Die Suche nach neuen Formen, neuen Themen und neuen Spielorten ist geblieben.

Die Ausstellung „Die Lust am anderen Theater – Freie Darstellende Künste in München“ ist noch bis 31. Juli im Deutschen Theatermuseum in München zu sehen. Der Eintritt beträgt 5 Euro. Der Katalog zur Ausstellung wurde von Birgit Pargner herausgegeben, ist bei Seemann Henschel erschienen und zum Preis von 32 Euro im Buchhandel erhältlich.