Automatenbüfett/Welt überfüllt

Anna Gmeyner: Automatenbüfett/Welt überfüllt

Getrieben stolpern die Gestalten durch die Großstadtnacht, getrieben von Gerechtigkeit, Geld oder Liebe, getrieben von der Suche nach einem Platz in der Welt.

Die Karriere der österreichischen Autorin Anna Gmeyner wurde durch die Nazis rüde beendet – wie bei so vielen Künstlern und Künstlerinnen ihrer Generation. Anfang der 30er-Jahre feierte die Dramatikerin erste Erfolge: Sie baute sich ein Netzwerk auf und ihr Stück „Automatenbüfett“ feierte gerade noch Uraufführung am Hamburger Thalia Theater. Als sie gerade in Paris an Drehbüchern arbeitete, übernahmen die Nationalsozialisten die Macht und die Werke von Gmeyner wurden von den Bühnen verbannt. Die Österreicherin ging daraufhin nicht nur ins Exil, sondern zog sich auch immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück.

Ihr Name geriet fast in Vergessenheit und wurde in den 1980er-Jahren mühevoll wieder ans Licht gebracht. Zuletzt sorgte die Autorin auch für ein ziemliches Highlight: 2021 wurde die Inszenierung ihres Erfolgsstücks „Automatenbüfett“ von Barbara Frey am Wiener Burgtheater zum Theatertreffen eingeladen und rückte die Autorin nochmal ins (wohlverdiente) Rampenlicht. Nun sind zwei ihrer Stücke, die auf deutschsprachigen Bühnen zu sehen waren, auch in Buchform veröffentlicht.

Zwischen Tag und Nacht

In „Automatenbüfett“ finden Adam und Eva zusammen: Als Herr Adam eine Eva vom Selbstmord im See abhält. Er nimmt die junge Frau mit zu sich, ins Automatenbüfett seiner strengen Frau. Die bloße Anwesenheit von Eva sorgt für Durcheinander, weil Frau Adam sowieso gerne Menschen verdächtigt und die Männer im Selbstbedienungsrestaurant sind es gewohnt, dass sie sich alles nehmen können. Doch verpflichtet fühlt sich Eva vor allem ihrem Retter. Daher hilft sie Adam dabei, seine Vision umzusetzen und den kleinen Ort mit einer Fischzucht wirtschaftlich aufzuwerten. Sie treffen auf Widerstände wie konservative Lokalpolitiker, selbstsüchtige Menschen und Männer, die Ansprüche auf Frauen erheben.

Das Stück „Welt überfüllt“, das 2022 seine verspäte Uraufführung am Theater Oberhausen erlebte, beginnt in einer U-Bahn-Station. Wie eine Schicksalsgemeinschaft warten hier mehrere Männer und Frauen, als plötzlich der Strom ausfällt. Eine Räuberbande hat die Leitung gekappt, um die Fahrgäste auszunehmen. Ein junger Arbeiter namens Tormann schafft es fast, sie aufzuhalten. Dass es eben nur fast gelang, treibt ihn in den Wahn und er torkelt durch die Nacht, um die Räuber doch noch zu erwischen. Der Räuberchef windet sich mit seiner charmanten Art immer wieder heraus, ein Student sucht verzweifelt nach einer Verdienstmöglichkeit und einer jungen Frau wird ein unangemessenes Angebot gemacht. Während „Automatenbüfett“ ein Stück des Tages ist, zeigt „Welt überfüllt“ die Getriebenheit der Nacht.

Der Stil von Anna Gmeyner lässt sich wohl dem Expressionismus zuordnen. Da die Szenen zwar immer sehr intensiv sind, aber doch recht realitätsnah geschrieben wurden, lassen sich die Texte gut lesen. Die Stücke leben auch von der unverwechselbaren Stimmung der 20er-/30er-Jahre – Weimarer Republik und Tanz am Abgrund. Ein Setting, das seit einigen Jahren sehr beliebt ist, auch, weil es eben einige Parallelen gibt. Doch nicht diese (oft überzogenen) Vergleiche machen diese Stücke so spannend für das Heute. Anna Gmeyner rückt Mechanismen ins Zentrum, die ungebrochen bis heute wirken: die Skepsis bei neuen Ideen und die Unfähigkeiten zu großen Visionen, der Druck von wirtschaftlichem Erfolg und der Suche nach Bedeutung im eigenen Leben. Es sind zeitlos relevante Geschichten mit 20er-Jahre-Charme.

Anna Gmeyner: Automatenbüfett/Welt überfüllt, 255 Seiten, Verlag der Autoren, ISBN: 978-3-88661-411-0