Das Tanzensemble posed in dramatischer Haltung. Alle tragen rosa Kostüme mit Federn am Kopf.

„Hope is a thing with feathers”

Maria Milisavljević, Guy Weizman: Hope

Theater:Thalia Theater, Premiere:05.12.2025 (UA)Autor(in) der Vorlage:Maria MilisavljevićRegie:Guy WeizmanKomponist(in):Camill Jammal

Am Thalia Theater in Hamburg inszeniert Guy Weizman in Kooperation mit NITE Groningen einen interdisziplinären Theaterabend über Hoffnung mit Musik, Tanz und Texten von Maria Milisavljević.

Wir starten mit einer Kennenlernrunde: Das fiktive Tanzensemble und seine Choreografin – gekleidet in rosa Ballett-Tutus, kombiniert mit Trainingsanzügen (Kostüme: Maison the Faux und Simon Carle) – sowie die drei Live-Musiker:innen stellen sich dem Premierenpublikum namentlich vor. In dem von bewegbaren Gerüsten, verspiegelten Flächen und von der Decke hängenden Glaskästen geschmückten abstrakten Bühnenraum (Bühne: Ascon de Nijs) tauchen wir anschließend in die Probenarbeit des Ensembles ein. Verkörpert wird dieses teils von Ensemblemitgliedern des Thalia Theaters, teils von der interdisziplinären Theatercompany NITE Groningen.

Diskussionen über Quote und Talent

Schon bald zeichnet sich ein Konflikt ab. Während der Probenarbeit für ein Tanzstück über Hoffnung hat die Choreografin Sarah, ohne Rücksprache mit dem Team, große Teile der Choreografie verändert. „She made it a solo“, stellt der Ensemblesprecher Nick fest und sofort entbrennt eine hitzige Diskussion. Als Kassie, die Tänzerin, die das Solo erhalten hat, damit konfrontiert wird, verteidigt sie sich vehement. Die entstehenden Diskussionen verhandeln dabei zentrale Fragen, die weit über den Probenraum hinausweisen: Wann ist es okay, wenn Performer:innen einen Platz bekommen und andere ihn dafür freimachen müssen? Geht es um Quote oder Talent (und wäre Ersteres ein Problem)? Werden alte, erfahrene Tänzer:innen durch neue, fittere ausgetauscht, oder wird einfach gerechterweise Platz für den Nachwuchs geschaffen?

Machtspiele der Choreografin

Auch die Choreografin Sarah weiß sich zu verteidigen. Mit manipulativem Geschick spielt sie das Ensemble gegeneinander aus und rechtfertigt ihr Vorgehen mit vermeintlicher Effizienz: „Probleme lösen heißt entscheiden. Also entscheide ich.“ Als sie dann noch einen fast kindlichen Wutanfall bekommt, als nicht alles nach ihren Vorstellungen verläuft, und die Tänzer:innen dazu auffordert, sich auszuziehen, erfüllt sie endgültig alle Klischees, die einem über eine machtmissbrauchende Regieperson so einfallen. Sie zeigt, wie schnell der Anspruch auf künstlerische Freiheit in autoritäres Verhalten umschlagen kann.

Auf der Bühne herrscht eine bedrohlische Stimmung. Das Ensemble liegt im Raum verteilt. Eine Person scheint wie in einem Hamsterrad zu laufen.

Toxisches Verhalten im Tanzensemble. Foto: Kerstin Schomburg

Autofiktionale Schlaglichter

Zwischendurch werden die Spielszenen immer wieder unterbrochen: Einzelne Tänzer:innen treten vor und erzählen scheinbar private, autofiktionale Geschichten aus ihrem Leben. Sie berichten etwa vom Schmerz, zu wissen, dass der Tanzunterricht auf den Schultern einer alleinerziehenden Mutter lastet oder von der Scham, die eigene Großmutter beim Flaschensammeln zu sehen. Die persönlichen Einblicke werden regelmäßig von Choreografin Sarah kommentiert und in für das Stück brauchbar oder unbrauchbar eingeteilt. Selbstironisch wird hier die Frage aufgeworfen, inwiefern das Einfordern von Verletzlichkeit im künstlerischen Prozess selbst eine Form von Machtmissbrauch ist. Leider findet hier aber keine Vertiefung des Themas statt. Stattdessen stehen die Geschichten der Performer:innen ohne dramaturgische Einbettung isoliert im Raum und verlieren dadurch an Wirkung.

Hope is dead

Die zentrale, verbindende Figur des Abends ist die Barkeeperin, die sich zunehmend als Verkörperung der Hoffnung entpuppt. Anfangs noch als Strippenzieherin inszeniert, die das Ensemble zum Zusammenhalt mahnt („You have so much more in common than what separates you!“), wirft sie zwischendurch mit fast pathetischen Sinnsprüchen um sich („Grief is a teacher, hope is a revolution“ / „Every lie is somebody’s truth, and every truth is somebody’s lie“). Doch gegen Ende des Stücks gerät auch sie ins Wanken. Eine inszenierte Apokalypse bricht über die Bühne herein, der Bühnenraum kollabiert förmlich – und mit ihm auch das Ensemble. Die Hoffnung stirbt und wird vom Ensemble wiederbelebt. Aus den Trümmern entsteht ein neues Gemeinschaftsgefühl, die Sonne geht auf und ein pathetisches Plädoyer über die Hoffnung als Muskel, der trainiert werden will, bildet den Schluss des Abends.

Die Inszenierung von Regisseur Guy Weizman berührt zwar relevante Themen, bleibt aber etwas zerfasert und unentschlossen. Die persönlichen Geschichten, die Reflexionen über Macht und Teilhabe, die Tanzeinlagen und die philosophischen Gedanken zur Hoffnung stehen oft unverbunden nebeneinander. Der Tanz selbst wirkt dabei phasenweise eher wie eine atmosphärische Ergänzung als ein dramaturgisch tragendes Element. So bleibt der Eindruck einer ambitionierten, aber etwas richtungslosen Arbeit, die sich zwischen ernsthafter Machtanalyse, ironischer Selbstreflexion und Hoffnungspathos verliert.