Foto: „Game of Clowns“ von Erkan Uyanıksoy der Bremer Shakespeare Company mit Michael Meyer (Al) und Svea Auerbach (Bo).
© Marianne Menke
Text:Jens Fischer, am 9. November 2025
Die Uraufführung von Erkan Uyanıksoys „Game of Clowns“ der Bremer Shakespeare Company erinnert stark an Samuel Becketts „Warten auf Godot“. Doch statt ums Warten dreht sich bei den zwei Clowns pantomimisch alles um menschliche Maßlosigkeit, Neid und Gier. Mit komödiantischer Fantasie und Spielfreude umgesetzt, kennt die Inszenierung aber auch kein Maß für Lautstärke.
Leidvoll gekrümmt schleppen sie sich auf die Bühne wie ein Beckett-Clochard-Duo mit dezenter Slapstick-Verpflichtung. Beide stecken in aristokratischem, aber schon schmuddeligem Zwirn. Ihre angstvolle Neugierde gilt der noch kahlen, die Leere ihrer Existenz spiegelnden Bühne.
Beim irischen Dramatiker heißen die Clowns Wladimir und Estragon, sind umstandskrämerisch und mit kindlicher Unsinnslust in einem ritualisierten Alltag verstrickt oder suchen in einem „Akt ohne Worte“ den Selbstmord als Ausweg aus der sinnlosen Geworfenheit in eine gegenständlich-widerständige Welt.
Hunger und Durst
Im „Game of Clowns“ von Erkan Uyanıksoy (Regie/Idee) verkörpern die beiden weniger das Scheitern des endlichen, unbegreifbaren Lebens, sondern haben einfach Hunger und Durst. Imaginieren, beneiden und streiten sich um ein Getränk und Knabbereien. Können nicht mit, nicht ohne einander. So teilen sie ihr vorgestelltes Essen mit Messer, Säge, Motorsäge, schließlich einem Presslufthammer. Ein Vorgeschmack auf den folgenden Exzess.
All das wird pantomimisch dargeboten, mit Geräusch- und Musikzuspielungen. Die Wortlosigkeit bleibt, wenn sich der Vorhang öffnet für die klassische „Warten auf Godot“-Szenerie: nicht mehr als eine spillerige, karg beästete Baum-des-Lebens-Installation steht auf der ansonsten zeitlos nackten Bühne (Ausstattung: Heike Neugebauer). Während Beckett zum Ende hin Hoffnungsblätter wachsen lässt, sprießt bei der Bremer Shakespeare Company von Beginn an Zauberkreide. Ein Versprechen.

„Game of Clowns“ von Erkan Uyanıksoy der Bremer Shakespeare Company. Svea Auerbach (Bo) wirft sich körperlich rein. Foto: Marianne Menke
Mehr, mehr, mehr
Mit Weißclownstaub geschminkt spielen die garstigere Bo (Svea Auerbach) und der nettere Al (Michael Meyer) das Verhalten der Menschheit durch, mit dem sie ihre eigene Lebensgrundlage zerstört. Bo und Al pflücken nach und nach die Kreide-Sticks vom Baum, wohl wissend, dass sich mit jedem ein gezeichnetes Ding materialisieren lässt. Auf Flipcharts fixiert das Duo ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte. Beginnend mit einem Glas Wasser, gefolgt von einer Karaffe, einem 15-Liter-Kanister, dann einem Bach. In den tauchen sie urlaubsbadefreudig ab, wozu die Bühne in blaues Licht getaucht wird.
Ach, das Leben könnte so schön sein, wenn der Drang nicht wäre, ständig mehr und es ständig besser haben zu wollen als der Nachbar. Also zeichnen beide weiter. Spaghetti und Burger mit Pommes sind zu servieren. Plötzlich Regen, also schnell ein Zelt herbeimalen. Für Bo. Al malt sich ein Haus. Bo ein größeres Haus. Al eine Burganlage. Der Überfluss gebiert den Sündenfall der Ressourcenverschwendung.
Auf zum nächsten Kreidebaum?
Freude wird vor allem beim Übertrumpfen empfunden. Auch wenn die Clowns zwischendurch versuchen, den Wohlstand mit alltäglichen Verrichtungen zu genießen. In Ruhe pinkeln, rülpsen, furzen. Morgens den ersten Kaffee brühen. Radiomusik als Tanzanimation nutzen. Aber schon wehrt sich die Dingwelt gegen den gedankenlosen Konsum. Die Spülbeckenkonstruktion bricht zusammen, der Toaster explodiert, ein Radio serviert die Musik nur noch leiernd, das Auto streikt. Was die Begehrlichkeiten steigert.
Machtspiele um den letzten Kreide-Stick starten. Pistole, Gewehr, Maschinengewehr, Kanone, Panzer, Atombombe werden in der Vorstellungswelt in Stellung gebracht. Die Endzeit menschlicher Unvernunft bricht an – aus Gier. Und die beiden verzweiflungskomischen Faktoten verlassen den Saal. Um den nächsten Kreidebaum zu plündern? Oder haben sie gelernt, wie schnell soziale Missgunst in kriegerische Auseinandersetzungen mündet?
Das körperbetonte Spiel der Clownerie passt gut zur Bremer Shakespare Company und bringt eine frische Farbe ins Repertoire. Mimisch und gestisch ist der satt theatralische Abend allerdings noch zu laut, geradezu lärmend, wenn mit dem Mund etwa beim Autofahren auch noch „brummmbrummm“ gemacht werden muss. „Game of Clowns“ ist daher weniger ein Besinnen aufs Wesentliche, eher der gelungene Versuch, mit komödiantischer Fantasie und großer Spielfreude der wortlosen Lecture Performance die Rhetorik des Lehrstückhaften zu nehmen. Die Existenz als Witz mit Pointe zu servieren. Zurück bleibt weniger Schrecken als Heiterkeit. Einhellige Zustimmung beim Publikum.