
Umbrüche in der Kulturpolitik
Foto: Wolfram Weimer und Joe Chialo © picture alliance/dpa | Michael Kappeler (Weimer), picture alliance/dpa | Philipp Znidar (Chialo) Text:Detlev Baur, am 2. Mai 2025
Wolfram Weimer wird neuer Kulturstaatsminister. Joe Chialo tritt vom Amt des Berliner Kultursentors zurück und Ulf Poschardt nutzt die beiden Personalia für Hetze.
Joe Chialo, umstrittener Berliner Kultursenator, ist zurückgetreten. Bis vergangenen Sonntag galt der CDU-Politiker als Favorit für den Posten des Staatsministers für Kultur im Kabinett des vermutlich nächste Woche gewählten Kanzlers Friedrich Merz. Die Arbeit des freundlichen Senators wurde im Zuge der massiven und plötzlichen Kürzungen im Berliner Kulturhaushalt in der Theaterszene längst als unbefriedigend eingestuft, in den konkreten Verhandlungen um den Kulturetat der Hauptstadt war er vom Regierenden Bürgermeister inzwischen quasi entmachtet.
Kultur in Berlin
Als dann vergangenen Sonntag bekannt wurde, dass der in Kulturkreisen weitgehend unbekannte Journalist und Publizist Wolfram Weimer diese Position übernehmen sollte, hielt sich die Freude in Grenzen, obwohl eine „Beförderung“ vom Berliner Senator Chialo zum Bundesstaatsminister nach seiner Performance grotesk gewesen wäre. Schon wurde über ihn als „lahme Ente“ der Berliner Kulturpolitik geschrieben. Nun hat Chialo selbst die Reißleine gezogen, um „das Amt in neue Hände zu legen“.
Das ist sicherlich im Interesse aller, auch wenn seine Erklärung ein wenig skurril anmutet, weil er damit die Verantwortung für sein Handeln oder Nicht-Handeln im Amt abwälzt: „Die nun geplanten weiteren Kürzungen greifen jedoch zu tief in bestehende Planungen und Zielsetzungen ein, verändern zentrale fachliche Voraussetzungen und führen so zur drohenden Schließung von bundesweit bekannten Kultureinrichtungen.“ Für die Berliner Kultur dürfte Chialos Abgang eine gute Nachricht sein.
Kultur im Bund
Die Theaterszene hat in der vergangenen Woche aber vor allem die Auswahl Wolfram Weimers aufgewühlt. Unterstützt von ensemble-netzwerk und Pro Quote Bühne wurden bislang über 60.000 Unterschriften gesammelt für: Wolfram Weimer darf nicht Staatsminister für Kultur und Medien werden!
Seltsam ist aber, nach einer Wahl, die einen deutlichen Rechtsruck im Bundestag brachte, „konservative Perspektiven“ in der Regierung per Petition verhindern zu wollen. Die Sorge vor einer „konservativen Verengung“ mag berechtigt sein, mutet jedoch sonderbar an. Zumal sich Weimer noch nicht zu seinen Plänen oder gar Vorstellungen vom Theater geäußert hat. Wenn in einer demokratischen Gesellschaft kein Spielraum für unterschiedliche Perspektiven gelten soll, wenn es nur eine gültige Politik gibt, ist diese Demokratie von innen heraus gefährdet.
Der gelernte Wirtschaftsredakteur Weimer hat keine Erfahrung im Kulturbereich, ein berechtigter Einwand gegen die Berufung. Das von ihm gegründete Magazin Cicero präsentiert allerdings hinter Innenpolitik, Außenpolitik und Wirtschaft, immerhin an vierter Stelle einen seriösen Kulturteil. Es gab schon glücklich agierende Minister:innen, die nicht vom Fach kamen.
Elitenbashing à la Trump und AfD
Über die Reaktionen auf die anstehende Weimer-Ernennung kann man geteilter Meinung sein. Für mich spiegelt sich darin eine gefährliche Selbstbezüglichkeit und sozial-medial aufgeheizte Hysterie, die zu mehr Spaltung und weniger Dialog führen.
Erschreckend ist dann heute allerdings der Kommentar von Ulf Poschardt in der WELT. Unbedarft wird da Joe Chialo „als CDU-Hipster (…) als Mann der Popkultur“ gefeiert. Unerträglich ist jedoch die aggressive Sprache gegen das „verkommene, verwöhnte Kulturestablishment“ und die „saturierten, moralisch verluderten Kultureliten der Hauptstadt“. Wolfram Weimer wird vom Autor aufgefordert „aufzuräumen“, der Kulturbetrieb sollte „im Zweifel kaputtgemacht werden“.
Der Artikel ist ein furchtbares Beispiel für Hetze gegen Kultur und Eliten, wie sie derzeit intensiv vom amerikanischen Präsidenten betrieben wird. Und seit geraumer Zeit von der AfD, die, wie heute bekannt wird, vom Verfassungsschutz insgesamt als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Gegen diese Sprache ist Widerstand geboten. Eine solche Form der Polemik hat hoffentlich nichts mit dem neuen Kulturstaatsminister zu tun.