Sinnliche Verschwendung

Fette Bühnenbilder oder ressourcenschonendes Theater? Ein Streitgespräch mit Merle Fahrholz (Aalto-Musiktheater Essen), Simone Sterr (Stadttheater Gießen) und dem Bühnenbildner Sebastian Hannak

aus Heft 03/2023 zum Schwerpunkt »Das Ende des Opulenz? Theater zwischen Reduktion und Verschwendung«

DIE DEUTSCHE BÜHNE: Amelie Deuflhard, die Leiterin des Hamburger Produktionshauses Kampnagel, hat 2015 in einem Interview mit der ZEIT gesagt, dass sie Verschwendung in der Kunst prinzipiell gut finde. Könnten Sie das heute – in einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung zu zentralen gesellschaftlichen Anliegen geworden sind – auch noch so sagen?

Merle Fahrholz: Dass man mehr Geld oder Ressourcen verbraucht, als wirklich nötig ist, dazu wird sich heute sicher niemand bekennen. Was aber auf keinen Fall passieren darf, ist, dass man das Theater in dem Sinne limitiert, dass Experimente nicht mehr möglich sind, denn ohne diese wird es keine lebendige Kunst mehr geben.

Sebastian Hannak: Gerade die Freiheit des Experiments bringt die Kunst enorm voran, das habe ich schon ganz zu Anfang meines Weges beim Forum Neues Musiktheater an der Staatsoper in Stuttgart eindrucksvoll erlebt. Dort hatten wir tatsächlich Geld für Experimente. Gerade bei neuen Werken konnten wir deshalb mit ungewöhnlichen Raumlösungen experimentieren und Mittel in technische Lösungen investieren, die sonst nicht möglich gewesen wären. Hätten wir diese Möglichkeiten nicht gehabt, dann wäre es aufgrund der vorherrschenden Produk­tionsbedingungen wieder nur um den einen, den sichersten Weg gegangen, und das ist meist auch der konventionellste, weil man da weiß, wie’s geht.

DIE DEUTSCHE BÜHNE: Frau Sterr, Sie leiten ein Mehrspartenhaus: Spüren Sie den Druck, Mittel und Ressourcen zu sparen? Und sehen Sie auch die Gefahr, dass die Experimentierfähigkeit Ihres Hauses darunter leidet?

Simone Sterr: Es geht darum, sich das unbedingt zu erhalten. Der Begriff „Verschwendung“ wird, glaube ich, von Theaterleuten aber auch deshalb gerne verwendet, weil es da um Sinnlichkeit geht, darum, dass Theater als Ort, wo nicht immer alles durchökonomisiert ist, zu behaupten. Das finde ich bei allen Debatten, die wir führen müssen – um Geld, um Ressourcen, um Nachhaltigkeit –, auch wichtig: „Verschwendung“ als sinnliche Energie muss am Theater möglich sein. Trotzdem ist es unsere Aufgabe, genau zu prüfen: Wie kann man einen Arbeitsprozess so transparent und vernünftig organisieren, dass man Ressourcen spart? Wir müssen uns bei jeder Bauprobe überlegen: Machen wir es mit Styropor, ja oder nein? Und da finde ich ein klares Nein manchmal gut.

Simone Sterr © YOOL


Merle Fahrholz:
Ja, wir haben die Aufgabe, eine für das Theater zuträgliche
Balance zwischen der Freiheit des Expe­riments und der Schonung aller Ressourcen zu finden.

DIE DEUTSCHE BÜHNE: Aus meiner Sicht gibt es eine gewisse Grauzone, in der das Verhältnis von finanzieller Sparsamkeit, Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung oft nicht richtig ausgeleuchtet wird. Unter Spardruck stehen die Theater ja seit Langem. Diese Art der Sparsamkeit hat aber wenig mit Ressourcenschonung zu tun, im Gegenteil: Die Theater arbeiten zu einem großen Teil in Gebäuden und Strukturen, wo seit Jahrzehnten nichts in die Ressourcenschonung investiert wurde.

Simone Sterr: Das ist ein Thema, das uns gerade gewaltig umtreibt: Was können wir von dem, was wir an Ressourcenschonung machen wollen, überhaupt umsetzen? In älteren Häusern wie unserem ist es gar nicht so einfach, eine Heizanlage mal eben auf 19 Grad runterzufahren oder Probebühnen nur nach Bedarf hochzuheizen. Solaranlagen aufs Dach? Tja, schwierig, wenn der Denkmalschutz dem entgegensteht. Wände isolieren, neue wärmedämmende Fenster einbauen: bei einem Jugendstilbau teuer und aufwendig. All das ist möglich, ja! Aber da hat man schon ein dickes Brett zu bohren. Auch finanziell!

Merle Fahrholz: Die Theater und Philharmonie Essen mit ihren fünf Sparten hat ja viele verschiedene Gebäude aus unterschiedlichen Bau- und Renovierungsjahrgängen. Auch hier war die Aufgabe, erst mal zu schauen, zu welchen Maßnahmen der Energieeinsparung die Gebäude und ihre Technik überhaupt in der Lage sind. Beim Bau des Aalto-Theaters 1988 hat man sicher an vieles gedacht – aber offenbar nicht unbedingt daran, wie man in verschiedenen Bereichen des Hauses die Heizung gezielt steuern kann. Diese und andere Fragen werden bei Sanierungen und Neubauten von Theatergebäuden in Zukunft eine große Rolle spielen.

Sebastian Hannak Aber die bestehenden Häuser sind ja irgendwann am Ende der Fahnenstange: Sie sollen Ressourcen schonen, weniger heizen, ihren ökologischen Footprint minimieren – aber das bedeutet ja alles nicht, dass sie Geld sparen, im Gegenteil: Sie brauchen Geld, um dafür erst mal die Strukturen zu schaffen! Das geht aber im jetzigen Modell nur durch die Reduzierung des ohnehin prozentual kleinen Anteils von unter zehn Prozent der künstlerischen Ausgaben. Zwangsläufig müssten Sie genau die Kosten minimieren, die die Kunst ermöglichen würden, denn woanders können Sie es ja nicht hernehmen. Und dann fehlt Raum für Kunst!

Sebastian Hannak © De-Da Productions


Simone Sterr:
Das ist eine große Gefahr, in der wir alle stecken: Wir haben Tariferhöhungen – das finde ich auch richtig so! Wir haben die Mindestgage heraufgesetzt – das war überfällig! Wir sollen nachhaltiger werden – völlig zu Recht. Wir haben den Zustand der Welt zu verantworten. Wir haben vieles verkackt, und auch ich als Theatermacherin fühle mich verpflichtet, zu retten, was noch zu retten ist. Aber all das sind Investitionen in den Bestand der Institution – in Verbindung mit der Inflation führen sie dazu, dass wir die Mittel dorther nehmen müssen, wo sie disponibel sind. Und das sind die Gagen für die freien Künstler und Künstlerinnen, die wir haben, die Mittel für die Inszenierungen – die Mittel für die Kunst! Denn nur da sind wir flexibel. Das ist fatal.

DIE DEUTSCHE BÜHNE: Frau Fahrholz, Sie leiten ein Opernhaus mit einem großen Apparat und großen Kollektiven, die alle proben müssen, Kostüme brauchen, sich umkleiden müssen, schminken, Platz für ihre Instrumente brauchen … Eröffnet das auch Spielräume der Nachhaltigkeit, nach dem Motto: Wo viel ist, da kann man auch viel sparen?

Merle Fahrholz: Na, zunächst mal würde ich sagen: Das Repertoiresystem, das wir am Aalto-Musiktheater haben, ist sozusagen per se ein Modell der Nachhaltigkeit. Denn wir spielen manche Produktionen in über 100 Vorstellungen über 10, 15 Jahre hinweg. Das heißt: Dieses Bühnenbild und die Kostüme sind dann auch wirklich benutzt worden.

DIE DEUTSCHE BÜHNE:Wenn man an die berühmte De­finition von Peter Brook denkt,  der es für möglich hielt, jeden leeren Raum zum Theater zu erklä­ren: Ein Mann geht durch diesen Raum, während ihm ein anderer zusieht; das sei alles, was zur Theaterhandlung notwendig ist – das ließe sich im Schauspiel realisieren, in der Oper aber ja nicht so ohne Weiteres …

Merle Fahrholz © Karl Forster


Merle Fahrholz:
Sicher nicht, nein. Zunächst mal haben viele Opernhäuser nun mal eine gewisse Bühnengröße, mit der man umgehen muss. Und eine gewisse akustische Opulenz gehört auch zur Oper, das merkt man im Aalto-Theater aufgrund seiner hervorragenden Akustik ganz besonders: Wenn man da vom Klang geradezu umhüllt wird, dann ist das ein ganz besonderes Erlebnis, das vielen von uns guttut. Das ist etwas, was Theater bieten kann und bieten muss: aus dem Alltag heraustreten, in neue Welten eintauchen. Diese fingierte Opulenz mit all den Verabredungen des Als-ob, die gerade die Oper besonders prägen – das ist das, was die Menschen in der Oper so berührt.

Simone Sterr: Das sehe ich genauso: Diese Art Opulenz müssen wir unseren Zuschauern und Zuschauerinnen bieten, sie macht den Reichtum des Theaters aus. Dass wir im Musiktheater auf der Bühne mehr Ausstattung brauchen als das Schauspiel, das leuchtet mir allerdings nicht so ein. Gerade der Umgang mit Medien, mit Video, mit Tonkunst ist bei uns im Schauspiel stärker als in der Oper. Ich würde da nicht sagen: Das Schauspiel kann auch auf dem Teppich spielen, und das Musik­theater braucht fünf Akte mit fünf fetten Bühnenbildern.

Merle Fahrholz: Um die fünf fetten Bühnenbilder geht es mir auch nicht. Aber auf einer leeren Bühne würde Oper schon deshalb nicht funktionieren, weil sie dann nicht klingt. Sie braucht in vielen Theatern Seitenwände und eine Rückwand, also ein gewisses Bühnenbild, für die Akustik. Das ist etwas, bei dem vielen nicht klar ist, was das wirtschaftlich und materiell bedeutet.

Sebastian Hannak: Deswegen finde ich ja gerade in der Oper die Vermittlung so wichtig. Das ist auch unsere Erfahrung mit den Raumbühnen, wo das Publikum mit auf der Bühne ist: Man muss die Menschen mit hineinnehmen in den Betrieb, sei es durch so eine Art von künstlerischer Partizipation, sei es durch diskursive Vermittlungsformate, damit sie verstehen und vielleicht auch erleben, wie dieser Musiktheaterkosmos überhaupt funktioniert.

DIE DEUTSCHE BÜHNE: Herr Hannak, Ihre groß dimensionierten, Zuschauerraum und Theater vereinnahmenden, ja: opulenten Bühnenlandschaften werden hoch gerühmt; den FAUST haben Sie dafür auch bekommen. Könnten Sie dafür auch einen Preis für Nachhaltigkeit bekommen? Oder steigt der Ressourcenverbrauch mit dem überwältigenden ästhetischen Eindruck?

Sebastian Hannak: Nein, diese Raumbühnen in Halle und jetzt das PANDAEMONIUM in Kassel sind tatsächlich in dem Sinne nachhaltig, dass sie eine ganze Weile im Haus stehen bleiben und in dieser Zeit mehrere Produktionen beherbergen. Die ganze Szenografie des Raumes ist darauf angelegt, unterschiedliche Sparten und unterschiedliche Formate zu ermöglichen, von der Oper über Tanz und Schauspiel bis hin zum Kinder- und Jugendtheater. Das bedeutet nicht nur Schonung von Materialien, sondern es gibt im täglichen Repertoire­betrieb auch weniger Umbauten. Insofern würde ich schon sagen, dass diese Bühnen sehr nachhaltig sind. Ich habe in Kassel auch noch ein weiteres Projekt gemacht, Thorleifur Örn Arnarssons „Temple of Alternative Histories“, wo wir unter anderem eines meiner Kasseler Bühnenbilder der gleichen Saison nahezu komplett wiederverwendet haben. Zudem habe ich im Fundus, der in Kassel wirklich sehr gut sortiert ist, Materialien zusammengestellt, die teilweise auch pandemiebedingt abgespielt waren, und diese zu einer kohärenten Szenografie zusammengeführt. So war es uns mit wenigen Ergänzungen möglich, auf der Bühne über vier Stunden eine große Opulenz zu zeigen, die aber nahezu ausschließlich aus vorhandenen Materialien bestand.

Simone Sterr: Das ist ja das Tolle, was Theater leisten kann: Selbst aus der Beschränkung können wunderbare Dinge entstehen, wenn man ein klares Konzept verfolgt. Die Freiheit besteht ja oft auch darin, dass man erst mal beschließt, sich an bestimmte Dinge zu halten. Dann entsteht so ein Boden – aber auf dem kann ich dann wunderbar tanzen! Opulenz bedeutet gar nicht unbedingt, einen Haufen teures Zeugs auf der Bühne zu haben. Und manchmal hilft es auch, sich über das Theater hinaus zu vernetzen, zum Beispiel mit der Architektur, die ja auch über nachhaltiges Bauen, über modulares Bauen nachdenkt. Oder mit der Wissenschaft, die mit ganz neuen, leichten Materialien arbeitet. Das ist nicht nur Beschränkung, da lassen sich ’ne Menge neue Dinge lernen. Das setzt auch etwas frei.

Sebastian Hannak: Dem kann ich nur zustimmen. Es gibt ja vom Szenografie-Bund jetzt eine AG Ökologische Nachhaltigkeit, die auch einen Leitfaden Grüne Bühne entwickelt hat, der genau diese Fragen stellt: Kann man nicht mehr Sachen wiederverwenden, kann man modularer arbeiten, muss es wirklich immer Styropor sein? Und übrigens: Viele digitale Techniken kann man wunderbar nutzen, um Räume erst mal auszuprobieren, ohne dass immer gleich was gebaut werden muss.

DIE DEUTSCHE BÜHNE: Opulenz und Nachhaltigkeit müssen einander nicht ausschließen. Aber das wäre ja nur eine materielle Legitimation von Opulenz. Gibt es da nicht auch einen moralischen Aspekt? Womöglich werden Theater, die allzu opulent in Bildern schwelgen, schief angeschaut? Einfach weil das Schwelgen in diesen Zeiten von Krieg und Krise als moralisch degoutant angesehen wird. Oder weil die Leute eben doch glauben, dass alles, was opulent aussieht, auch ressourcenverschlingend sein muss. Muss das Theater jetzt in Sack und Asche gehen?

Simone Sterr: Nein, wir müssen die Menschen sinnlich abholen, darauf kann das Theater nicht verzichten. Und das sollte uns so gut gelingen, dass die Zuschauenden hoffentlich nicht im Theater sitzen und nur noch daran denken, wie viele Ressourcen da jetzt wieder rausgehauen werden. Nach innen müssen wir aber daran denken. Die Zeiten des irrsinnigen Überwältigungstheaters mit teuersten Kostümen und luxuriösesten Bühnenbildern – dass die jetzt vorbei sind, das finde ich gar nicht so schlimm.

Merle Fahrholz: Auch ich hoffe sehr, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer bei uns nicht aus dem Theater gehen und nur darüber nachdenken, wie aufwendig dieses Bühnenbild war, sondern dass die Gespräche sich um den gesamten Abend drehen. Insofern bin ich gerade für diesen ästhetischen und moralischen Aspekt Ihrer Fragestellung auch sehr dankbar. Ich habe ihn bei einer spartenübergreifenden Gesprächsrunde mit dem Musiktheater und den Essener Philharmonikern thematisiert, und es hat sich darüber eine lebhafte Diskussion entspannt. Da wurde zum Beispiel immer wieder auf den Wunsch des Publikums verwiesen, im Theater wirklich eine Auszeit zu erleben und etwas Schönes auf der Bühne zu sehen, durchaus im Sinne des optischen Genusses. Interessant fand ich aber auch die Frage, ob es im Namen der Nachhaltigkeit oder Sparsamkeit zu Eingriffen in die Stücke kommen darf. Also tatsächlich zu dramaturgischen Eingriffen, womit sich ja auch Fragen der Integrität und der Freiheit der Kunst stellen.

Simone Sterr: Ja, insofern ist die Frage der Nachhaltigkeit immer eine ästhetische Frage. Und auch wir überlegen uns immer wieder, wo der künstlerische Eingriff zu stark wird, weil die Einschränkungen zu groß werden. Da muss man sehr klar sein: Was ist die zentrale Idee – und wo sind Abstriche möglich? Die Gefahr, dass das Ringen um Sparsamkeit und Ressourcen auch auf das Produkt, die Fantasie und die künstlerische Idee einwirkt, ist jedenfalls nicht zu leugnen.

DIE DEUTSCHE BÜHNE: Spüren Sie das in Ihrer Arbeit, Herr Hannak?

Sebastian Hannak: Absolut! Zum einen spielen aktuell die Preissteigerungen eine große Rolle und machen den Häusern enorm zu schaffen. Das Thema Nachhaltigkeit rege ich aber auch von mir aus oft an. Damit man mit diesen Einwirkungen von außen und innen umgehen kann, braucht man als Bühnenbildner eine starke künstlerische Idee. Wenn man die präzise entwickelt hat, ist die sozusagen skalierbar, dann kann man auf die Sachzwänge eingehen, ohne die Idee in der Substanz preiszugeben. Wir müssen gemeinsam Wege finden, die Umsetzung zu ermöglichen, und darauf können wir dann auch gemeinsam stolz sein. Das heißt: Gerade in diesen Zeiten muss man immer über den Inhalt kommen: Was will ich eigentlich erzählen?

Simone Sterr: Das kann ich nur unterschreiben. Ich genieße das sogar, dass wir die Ressourcen-Nachhaltigkeit jetzt immer als Faktor mitdiskutieren. Und ich erlebe immer wieder, welche tollen Ideen da gerade auch von den Mitarbeitenden kommen. Theater ist ja auch so ein Ort des Handwerklichen. Das wird jetzt gerade wieder wichtig.

DIE DEUTSCHE BÜHNE: Sie waren sich vorhin einig, dass Sie es nicht unbedingt wünschenswert fänden, wenn die Zuschauer aus dem Theater kämen und nur da­rüber nachdächten, wie ressourcenverschlingend oder nachhaltig diese Produktion jetzt wieder war. Ist der allgemeine Diskurs vielleicht zu sehr auf solche internen Probleme der Theater fokussiert – und zu wenig auf ihre künstlerischen Themen?

Simone Sterr: Ich glaube, dass diese Diskussionen wahnsinnig wichtig sind, weil wir am Theater die Verantwortung auch für das haben, was bei uns intern passiert: Wie gehen wir mit unseren Mitarbeitern um? Wie gehen wir mit unseren Ressourcen um? Aber natürlich ist die Hauptaufgabe, die wir am Theater haben, über eine Ästhetik nachzudenken und über die Inhalte, die wir in die Welt bringen wollen. Ich glaube einfach, dass so ein Theater von vorne und von hinten gut aussehen muss.

Merle Fahrholz: Dem stimme ich gerne zu. Und ich denke auch, dass sich die Institutionen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten stark verändern müssen und werden. Trotzdem dürfen wir uns nicht auf die Bauchnabelschau konzentrieren, sondern müssen das mit ästhetischen Gedanken und einem ästhetischen Diskurs verbinden. Denn der Hauptpunkt ist das, was auf der Bühne passiert.

Sebastian Hannak: In einem Interview, das Sie, Herr Brandenburg, mal mit Klaus Zehelein, dem damaligen Intendanten der Staatsoper Stuttgart, geführt haben, hat er betont, dass es darauf ankomme, den Raum des Ästhetischen zu öffnen für das, was uns gesamtgesellschaftlich umtreibt. Das wurde für mich fast zu so einer Leitformulierung. Die darin liegende Gleichschaltung von Theaterschaffen und Zeitgenossenschaft ist für mich eine total wichtige Verbindung. Das heißt aber auch, das Publikum mitzunehmen, sowohl in seinem Verständnis für unsere Ästhetik wie auch dafür, dass Theater gerade, wenn es nachhaltig sein will, finanzielle Mittel braucht, ohne die es nicht existieren kann.

Merle Fahrholz: Und aus solcher Vermittlungsarbeit bekommen wir auch wieder gesellschaftliche Impulse ins Haus hinein, die für unsere Arbeit enorm wertvoll sind. Diese Vermittlungsarbeit ist aber in vielen Häusern immer noch ein Add-on, das in seiner substanziellen Bedeutung gar nicht gesehen wird. Auch das gehört zu dem Veränderungsbedarf, den ich an den Theatern sehe.