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Zusammengemixt, was nicht zusammengehört

Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte

Theater:Salzburger Festspiele, Autor(in) der Vorlage:Lorenzo Da PonteRegie:Lydia SteierMusikalische Leitung:Constantinos Carydis

Zur Eröffnung der Salzburger Festspiele inszeniert Lydia Steier eine ziemlich bunt zusammenmontierte Zauberflöte

Der Tisch ist gedeckt, das Dienstpersonal wäre bereit, auch der Großvater hat schon Platz genommen – nur drei Stühle an der feudalen Tafel sind noch nicht besetzt. Zu der von den Wiener Philharmonikern unter Constantinos Carydis federnd gespielten Ouvertüre lässt Regisseurin Lydia Steier Mozarts Oper „Die Zauberflöte“, die die Salzburger Festspiele im großen Festspielhaus eröffnet, mit einer Rahmenhandlung schon beginnen. Endlich sind auch die drei Söhne da, so dass serviert werden kann. Nach dem Essen liest der Großvater den Jungs im Kinderzimmer noch eine Gute-Nacht-Geschichte vor, die mit einem Feuerstoß durchs Fenster spektakulär beginnt. Die drei Damen, die sich eben noch um die Herrschaften gekümmert hatten, tragen jetzt zur Drachenabwehr Gewehre und sind plötzlich Teil der Operngeschichte. Die Jungs werden zu den drei Knaben, der Metzger mit der blutigen Schürze ist nun Papageno. Aus kindlichen Fantasie- und Traumwelten entsteht die Operngeschichte mit einem Märchenonkel (der für Bruno Ganz eingesprungene, charmant rezitierende Klaus Maria Brandauer) als Erzähler.

Theoretisch klingt Steiers Ansatz schlüssig: die kindliche Perspektive als Leitfaden, der die unterschiedlichen Ebenen zusammenhält. Zusätzlich verortet die Regisseurin die Rahmenhandlung im Jahr 1913 – kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und dem Zerfall des Habsburgerreiches. Leider erweist sich das Konzept im Laufe des Abends als zu konstruiert. Bei den vielen Geschichten, die Steier erzählen möchte, geht die große Linie verloren. Die ohnehin schon heterogene, mit Dialogen zusammengehaltene „Zauberflöte“ franst durch die neue, politisch korrekte Textversion (Monostatos/Michael Porter ist kein Mohr, sondern „Bediensteter“) noch stärker aus. Die Kapitelüberschriften, die Brandauer vorliest, hemmen den Fluss.

Auch musikalisch hinterlässt der Abend einen heterogenen Eindruck. Die Wiener Philharmoniker klingen unter Constantinos Carydis fast so sprechend wie ein Alte-Musik-Ensemble, ohne dabei an klanglichen Qualitäten einzubüßen. Die drei Wiener Sängerknaben (Jeong-min Lee, Matthew Helms, Philipp Rumberg) gehören mit ihren glockenhellen, perfekt intonierenden Sopranstimmen und der natürlichen Spielfreude ebenfalls zu den Highlights an diesem vom Publikum zurückhaltend bis kritisch aufgenommenen Abend. Christiane Karg (Pamina) und Albina Shagimuratova (Königin der Nacht), die auch bei der konzertanten Baden-Badener Produktion vor einigen Wochen dabei waren, überzeugen in Salzburg erneut mit ihren schlanken, beweglichen Stimmen und der guten Linienführung. Mauro Peters Tamino ist ganz lyrisch verortet. Gelegentlich wünscht man sich etwas mehr an Dramatik, wie dies etwa bei Klaus Florian Vogts Interpretation in Baden-Baden zu hören war. Adam Plachetka gibt den Vogelmetzger mit natürlicher Phrasierungen, aber mangelhafter Präsenz.

Glatt fehlbesetzt ist Matthias Goerne als Sarastro. Mit seinem an diesem Premierenabend dumpf klingenden, seltsam konturenlosen Bariton fehlt ihm nicht nur die notwendige Tiefe, sondern auch jegliche Charakterisierung. Die seitens der Regie gewollte Zeichnung des geistlichen Führers als demagogischer Zirkusdirektor wirkt aber ohnehin aufgesetzt. Während Sarastro zu Beginn des zweiten Aufzugs die altägyptischen Götter Isis und Osiris anruft, werden sozialistische Plakate von Helden der Arbeit hochgezogen. Sein ihm ergebenes Gauklervolk demonstriert für Wahrheit und gerechte Löhne. Die Bühnenteile des Vorspiels geraten immer wieder in Bewegung und erinnern auf der Rückseite mit ihren Stahlskeletten und Rädern an Jahrmarkt-Trubel, aber auch an Industrielandschaften (Bühne: Katharina Schlipf).

Diese Zirkuswelt Sarastros entfaltet zwar Spektakuläres fürs Auge, lässt aber kaum Zwischentöne zu, zumal auch Papagena (Maria Nazarova) als Akrobatin seltsamerweise der gleichen Welt entstammt wie der Oberpriester (Kostüme: Ursula Kudrna). Die Clownspuppen im Kinderzimmer der drei Knaben sind dafür als dramaturgische Klammer zu schwach. Auch den Panzer, auf dem die drei Damen (homogen: Ilse Eerens, Paula Murrihy, Geneviève King) mit Monostatos am Ende anrollen, hat man schon bei der Ouvertüre als Spielzeug gesehen. Zur Feuer- und Wasserprobe schauen Tamino und Pamina auf Filmschnipsel von Kriegsszenen.

Stelzenpuppen und Stahlhelme, Klamauk und Katastrophe, Messerwerfer und Maschinengewehre – in dieser „Zauberflöte“ wird bunt zusammengemixt, was so nicht zusammengehört. Dass die kleinen Papagenas und Papagenos am Ende von Lazarett-Krankenschwestern in Kinderwagen hineingerollt werden, passt ins schiefe Bild.