Foto: Szene aus "iHome" als Tanzstück in Görlitz © Pawel Sosnowski
Text:Ute Grundmann, am 10. März 2017
Sie tanzen gegen Glaswände. Mal strecken sie sich drinnen, als hätten sie schon ein Zuhause gefunden. Andere schlagen oder treten von außen, als suchten sie im Glashaus eine Zuflucht, eine Heimat vielleicht. Dieses große, silbrige Gestänge mit (Fenster-)Scheiben darin (Ausstattung: Marks Pysall) dominiert die Bühne im Theater Görlitz, wo Dan Pelleg und Marko E. Weigert, die Leiter der Company, ihr neues Tanzstück zur Premiere brachten.
„iHome“ stellt viele Fragen: Was und wo ist Heimat, wie verbindet, verbündet man sich mit anderen Menschen, wann muss man kämpfen, ist ein neuer Ort nur eine Zuflucht oder schon Heimat? Beantwortet werden diese Fragen tänzerisch und mit viel Musik von der polnischen Folkgruppe „Dikanda“ mit bald melancholischen, bald rasanten Klezmer-ähnlichen Tönen und Gesängen. Mal erklingt auch das Fallen eines Groschens oder ein Akkordeon tupft Akzente. Dazu bewegen sich die Tänzer, allein oder zu zweit, im Innern des Glashauses in Boxen, durch die man hindurchgehen kann, ein Einzelner tanzt davor, langsamer als der Rhythmus der Musik, die ebenso wie die Bewegungen immer schneller wird.
Solche Szenen haben Dan Pelleg und Marko E. Weigert zusammen mit der Company entwickelt, die ihre Erfahrungen mit „iHome“ eingebracht hat. Weigert hat außerdem das Lichtdesign (von Kerzenschimmer bis zu blitzenden Lichtreflexen auf den Scheiben) beigesteuert, Pelleg das Sounddesign. So tragen fünf Männer mit Turbanen und weiten Hosen zwei Haremsdamen herein, ein orientalischer Tanz beginnt, bis die Frauen das Haus betreten. Dort verwandeln sie sich in Frauen im Kimono, tanzen mit Trippelschritten, aber auch markant-eckigen Bewegungen. Das Glashaus wird mit Kissen, Teddybären, Blumenkästen wohnlich gemacht, am Ende wieder leergeräumt und die Dinge zum Altar aufgebaut.
Da gibt es die Menschenmauer, gegen die ein Einzelner anrennt und weggestoßen wird, er springt dagegen an, die Mauer öffnet sich kurz, schließt ihn aber wieder aus. Immer wieder stützen die Figuren sich oder greifen an, Paare finden und trennen sich wieder, es verknoten und verknäueln sich die Körper. Das sind prägnante Bilder vom Gegen- und Miteinander und von der Viel-Völker-Welt in diesem 100-Minuten-Abend. Doch einiges macht auch ratlos: Da wird eine vollverschleierte Frau aus der ersten Reihe auf die Bühne geholt, ein Mann zerrt an ihrer Burka, als sie sich wert, wird sie von der Bühne „Raus!“-gebrüllt. Später bringt eine schmeichelnde Männerstimme aus dem Off eine Frau dazu, nicht nur die Burka, sondern auch alles andere abzulegen, nackt kraftvoll zu tanzen, bis eine Burka-Gruppe die Bühne beherrscht. Da bleibt der Bezug zum selbstgestellten Thema eher unklar, eine Szene mit lauter Ausländerwitzen ist schlicht überflüssig. Und wenn alle Tänzer ihre Nationalhymnen durcheinander singen, dann Fahnen streng choreografiert schwenken, ergibt das eine schöne Szene des „Alle Menschen werden Brüder“. Die aber auch, wie einiges an diesem Abend („Ausländer raus!“-Rufe aus Ghettoblastern) in den sonst atmosphärisch-dichten Tanzszenen sehr plakativ wirkt.