Foto: Natalie Hanslik, Jonathan Gyles, Eduard Lind in „Der überaus starke Willibald” © David Baltzer
Text:Ulrike Kolter, am 14. August 2021
Spielzeiteröffnung, endlich wieder Premiere! Ansteckend euphorisch begrüßt Stefan Fischer-Fels, Leiter des Jungen Schauspiels in Düsseldorf, sein Freiluft-Publikum auf dem Gustaf-Gründgens-Platz. Es mag ein Statement so mancher Theater sein, mit einem Stück für Kinder- und Jugendliche in die Saison zu starten – hier jedenfalls springt die Stimmung sofort über und hält die (teils etwas überfrachteten) 90 Minuten an. „Der überaus starke Willibald“ von Willi Fährmann wird geboten; ein Mäuseabenteuer als Parabel auf Tyrannei und Rassismus. Da wird teils kräftig mit der Moralkeule gewinkt, andererseits sind alle Anstöße zum autonomen Denken und solidarischen Handeln kindgerecht verpackt – und mit einer guten Portion Sprachwitz und historischen Anekdoten fürs Erwachsenenpublikum garniert, so dass alle auf ihre Kosten kommen.
Der starke Willibald, eine graue Maus, lebt gemeinsam mit seinem Rudel in einem großen Menschenhaus – und schwingt sich eines Tages zum Boss auf. Schwanzpeitschend grölt er Parolen („Wer zu viel denkt, ist gefährlich!“), verbietet alles, was Spaß macht (spielen, klettern) und droht zum eigenen Machterhalt mit der gefräßigen Katze im Vorgarten… Klar, dass er die Lillimaus nicht nur wegen ihres weißen Fells ausgrenzt: Die schlaue Albino-Maus zweifelt den Katzenmythos an. Als Lillimaus schließlich in die Bibliothek eingesperrt wird und sich dort selbst das Lesen beibringt, wird sie mit ihren Geschichten vollends zur Bedrohung für Willibalds Tyrannen-Herrschaft…
Zwischen menschengroßen, teils drehbaren Altmetall-Dosen (Bühne: Gabriela Neubauer) lässt Regisseur Robert Gerloff das fünfköpfige Mäuserudel temporeich und mit viel bedeutungsschwerer Gestik agieren: Das Wort „Katz“ wird mit panischem Zucken aller Mäuse untermalt, zum Lied „So zittern alle Katzen vor unsern Mäusetatzen“ gehen alle Pfoten gebieterisch an die Nase, auch verbal sprudeln historische Andeutungen ans NS-Regime („Bücher müsste man alle verbrennen!“). Das ist für die Jüngeren humoristisch verpackt und bleibt für alle doch bitter genug hängen.
Vor allem das famose Ensemblespiel und die liebenswerten Charaktere von Lillimaus (Eva Maria Schindele), der dicken Hermannmaus (Eduard Lind), Mäusejosef (Jonathan Gyles) und Mausephilipp (Noëmi Krausz) machen großen Spaß und beeindrucken mit ausgefeiltem Wortwitz und akrobatischen Klettereien in den genialen Jutesack-Mäusekostümen von Cátia Palminha. Den überaus starken Willibald gibt die zierliche Natalie Hanslik genauso agil und wortgewaltig, wie den Kasperl in Robert Gerloffs Inszenierung vom „Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete“.
Und die speckschwartenschwere Moral von der Geschicht‘? „Erheben wir unsere Pfoten nicht gegeneinander, sondern reichen sie uns!“ Willibald kommt zur Vernunft, denn Lillis Lesefähigkeit rettet das Rudel vor einer tödlichen Mäusefalle…
Noch bis Ende August als Freiluftinszenierung zu erleben und im Anschluss im Jungen Schauspiel in der Münsterstraße. Empfehlung: schnell hingehen, so lange es noch geht!