So viel wird klar: Drei schmucke Hexen entsteigen der Schwesterngruft, als ein Sputnik über den Friedhof flitzt; als Feuerwerkseffekt auf der Bühne. Im Sputnik sitzt das Volk von Vineta; aber das weiß nur, wer das Programmheft genau liest oder auch schon Bordels Vineta-Phantasien aus den Vorjahren kennt. Diese drei Hexen sind böse, machtbewusste Heuschrecken aus der neuen Welt sozusagen – eine andere Hexe jedoch, verzaubert in einer der früheren Folgen, ist gut und will Vineta retten. Ihr zur Seite streiten Märchenfiguren: das tapfere Schneiderlein, Aschenbrödel und der Butt, der goldene Eier legt. Um Überleben oder Untergang von Vineta streiten aber auch die Götter höchstpersönlich – und erst als sich Märchen- und Götterwelt verbünden, ist Rettung vor der Hexenmacht in Sicht. Das verführbare Volk von Vineta, angeführt von einer charismatisch-überkandidelten Kapitänswitwe, geht allerdings unter mit der verfluchten Stadt; Gottheiten und Märchenkinder denken derweil über die glückliche Zukunft nach.
Alles klar? Nicht wirklich. Stück und Inszenierung sind wüstes Gewurschtel, gewürzt mit eher flachen Anspielungen auf Politik und Gegenwart und aufgeladen mit allen Zutaten handelsüblicher Musicals, komponiert und arrangiert von Wolfgang Schmiedt. Da auf der burgartigen Freilichtbühne alle mit Mikrophonen spielen (müssen), versinkt das szenische Durcheinander weithin in undurchschaubarem Gebrabbel. Wie ein altes Kind aber scheint sich der Regisseur an den Zauberkünsten der Pyrotechnik zu erfreuen – es knallt und zischt bis zum glücklichen Ende, wenn auch das Publikum die Wunderkerzen zündet. In der Premiere der Festspiel-Uraufführung sitzt unübersehbar viel Publikum aus der Region am Meer; die Touristen sollen noch kommen. Sie werden die Ostseebühne betreten wie eine lange versunkene Welt. Deren Prophet ist Wolfgang Bordel, der Überlebende von Anklam.