Erst mit dem Auftritt von Pozzo (Bruno Cathomas) und Lucky (Justus Maier) gewinnt das bis dahin diffus vor sich hinwabernde Spiel an Verbindlichkeit. Bruno Cathomas zeigt im roten Trainingsanzug einen egomanischen Diktator, der nach Anerkennung lechzt. Somit kommt durch die von ihm angestoßenen Machtspiele auch Verbindlichkeit ins Spiel. Ob man nun an theaterinterne Machtkämpfe denkt oder menschliche Grausamkeit als anthropologische Konstante herausliest: Durch das intensive Ausspielen kommt Leben in die Beziehungen auf der Zuschauer-Bühne. Die Zuschauer Wladimir und Estragon werden nun als Opfer und Täter zu Mitspielern – das tut ihnen gut (weil so die Zeit beim Warten schneller vergeht) und das hilft dem realen Publikum, weil nun die Rollen klarer werden.
Das Theaterpublikum braucht Akteure auf einer Bühne, und das Theater darf sich nicht nur um sich selbst drehen, sondern muss eine Verbindung zur Welt der Zuschauer finden. Das zum Kölner Saisonstart zu zeigen, scheint Jan Bosse und dem Ensemble mit dieser Inszenierung halb geglückt, halb passiert zu sein. Die Vier halten immer Distanz und suchen doch immer die Nähe der anderen, der Abschied fällt Pozzo schwer, das Parkett ist weit und bietet viele Schlupflöcher. Lucky und später auch die beiden Protagonisten nutzen das Gestühl als Waffen in ihrer blinden Wut auf die Welt und damit auf die Fremden in der Nähe; Wladimir macht im zweiten, melancholischeren Teil ein Feuer im oberen Teil des Parketts. Eigentlich fühlen sich die beiden aber trotz Demenz inzwischen besser (und es ist interessanter, ihnen zuzusehen); nun spielen sie miteinander auch das ungleiche Paar Pozzo und Lucky nach: „Aber an dieser Stelle und in diesem Augenblick sind wir die Menschheit.“
Diese Inszenierung hat ihre Unschärfen und macht damit doch Hoffnung auf ein Theater, das die Welt nicht beschönigt, sondern auf sie eingeht – vom Theater aus. Wir Zuschauer brauchen das Spiel, nur Warten auf Besserung ist nicht abendfüllend. Für den Anfang nach einer diffusen Zeit des Wartens auf Theater war „Warten auf Godot“ in Köln die perfekte Wahl.